Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
KONTAKT
Gedankenverloren starre ich auf den letzten Punkt. Ein guter Punkt, eigentlich der wichtigste, schießt es mir durch den Kopf.
»Sehr gut«, sage ich leise und nehme meinen Kaffeebecher entgegen.
»Tja, schließlich habe ich auch eine Ex, die ziemlich toll war«, meint er achselzuckend. Obwohl mir schon wieder tausend Fragen zu der mysteriösen Unbekannten auf der Zunge brennen, reiße ich mich zusammen und sage nichts.
Sehe ihn nur an. Und tatsächlich: »Vielleicht hätte ich deine Liste gebraucht«, fährt er fort und sieht plötzlich richtig traurig aus. »Wobei ich wohl selber hätte wissen können, dass Seitensprünge nicht beziehungsfördernd sind.«
»Oh«, sage ich atemlos und hänge an seinen Lippen, aber in diesem Moment klingelt dummerweise mein Handy.
»Entschuldige«, sage ich, doch Lutz scheint dankbar für die Unterbrechung zu sein. »Viviane Sonntag.«
»Vivi, hier ist Benjamin.«
»Ach, hallo.«
»Ich wollte mich bei dir bedanken, es war so ein toller Abend, und erst eine tolle Nacht, ich kann dir sagen.«
»Ähem«, räuspere ich mich ein wenig befremdet, »keine Details bitte.«
»Na ja, danke jedenfalls.«
»Keine Ursache. Wo bist du jetzt?«
»Im Office, ich muss noch ein paar …«, beginnt er, als ich ihn schon unterbreche.
»Ist mir egal, was du noch machen musst, du schwingst jetzt sofort deinen Hintern wieder nach Hause und machst einen Spaziergang mit deiner Frau«, sage ich im Befehlston nach einem kontrollierenden Blick aus dem Fenster. Der Himmel ist strahlend blau, und ein leichter Wind streicht durch die kahlen Äste der Linden, die im Hinterhof stehen.
»Aber ich …«
»Kein Aber«, sage ich streng, »mit einem gut gelaufenen Geburtstag ist es nicht getan. Und nach einer durchvögelten Nacht«, ein überraschter Blick von Lutz trifft mich, und ich setze ein entschuldigendes Lächeln auf, »lässt du deine Frau nicht alleine zu Hause rumsitzen.«
»Ähm, na gut, vielleicht kann ich …«, kommt es verschüchtert zurück.
»Natürlich kannst du«, schneide ich ihm das Wort ab. »Und am Montag gehst du auf unsere Webseite und lädst dir dort den Bildschirmschoner herunter, verstanden?«
»Was für einen …?«
»Das wirst du dann schon sehen. Und wenn er dir gefällt, kannst du ihn gleich an alle Männer, die du kennst, weiterleiten«, sage ich etwas sanfter und notiere im Hinterkopf, dass unser Logo auf dem Bildschirmschoner deutlich zu sehen sein muss.
»Okay«, kommt es ergeben zurück.
»Dann macht euch einen schönen Tag. Tschüss.« Ich lasse das Handy sinken und sehe zu Lutz hinüber, der mit verschränkten Armen am Kühlschrank lehnt und mich leicht amüsiert ansieht.
»Mit Benjamin willst du auch nicht schlafen, oder?«, erkundigt er sich, und ich schüttele empört den Kopf:
»Natürlich nicht!«
»Dann ist es ja gut. Aber falls du irgendwann mal wieder einen meiner Geschlechtsgenossen in dein Bett locken willst, solltest du dir dringend deinen Befehlston abgewöhnen«, sagt er trocken. »Nur so ein kleiner Tipp unter Freunden.«
Bin ich denn wirklich eine solche Furie? Das wäre ja schrecklich. Aber irgendwie hat er schon recht, vermutlich habe ich mich dem rauen Wind in der Geschäftswelt angepasst. Da kommt man eben nur durch, wenn man selbstsicher, eloquent und rational auftritt. Und was mit einem passiert, wenn man mal seinen Gefühlen freien Lauf lässt, das habe ich ja schmerzhaft am eigenen Leib erfahren müssen. Aber vielleicht gibt es ja auch einen Mittelweg zwischen Nervenzusammenbruch und kalter Hundeschnauze? Während ich noch darüber nachgrübele, ob Lutz’ Anschuldigungen möglicherweise einen Funken Wahrheit beinhalten, hat der sich klammheimlich aus dem Staub gemacht. Dabei hätte ich ihn doch so gerne noch über seine geheimnisvolle Ex ausgefragt. Vor allem aus Recherchegründen natürlich. Ich schnappe mir seine Gebrauchsanleitung und stutze. Ganz unten hat er doch tatsächlich handschriftlich noch einen Punkt ergänzt:
- Sei sanft!!!
Statt mich jedoch weiter über den frechen Kerl zu ärgern, rufe ich lieber bei meiner Schwester an. Oder vielmehr bei meinem Schwager. Mit meiner sanftesten Stimme versuche ich ihn davon zu überzeugen, dass es absolut dringend notwendig ist, dass er noch an diesem Wochenende die Bildschirmschoner programmiert und ins Netz stellt. Und er kann mir die Bitte tatsächlich nicht abschlagen. Ist ja prima. Dafür habe ich danach eine mehr als genervte Chrissy an der Strippe, die mir
Weitere Kostenlose Bücher