Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Geigenmusik, die über den Campus schallt, auf und nieder hüpfe. Aber das ist natürlich ein Zeitproblem. Unsere Kunden schaffen es ja nicht einmal, einen Strauß Rosen für die Liebste zu kaufen. Und wenn schon Wochenendseminare, dann wohl eher zum Thema »Mitarbeiterführung und Konfliktmanagement«, »Verkauf, Marketing und Public Relations« oder auch »Controlling und Reporting für IT-Projekte«. Vielleicht eine Art Ratgeber, grübele ich weiter. Na toll, das »Benutzerhandbuch für Frauen« vielleicht? Eine Schnapsidee! Wie wäre es statt dessen mit einer Liste, auf der die wichtigsten Regeln kurz und knapp zusammengefasst sind? Die könnten wir unseren Kunden sozusagen als kostenlosen Bonus zukommen lassen. Sie müsste bloß knackig sein, damit man sie auch wirklich liest und, viel wichtiger, beherzigt. Und in diesem Moment habe ich die zündende Idee. Plötzlich bin ich so aufgeregt, dass ich am liebsten zu Lutz in den Jaguar stürzen würde, um ihm von meinem Plan zu erzählen, aber in diesem Moment fällt mir glücklicherweise der versprochene Nachtisch wieder ein, den ich in der mit einem weinroten Tuch verhüllten Kühlbox deponiert habe. Nicht, dass die bei dieser Eiseskälte wirklich notwendig wäre. Vorsichtig nähere ich mich dem Pärchen, das Händchen haltend am Tisch sitzt. Die Stimmung scheint sich erheblich gebessert zu haben, und Lydia schaut Benjamin ganz entrückt an. Der wiederum wirkt erleichtert. Ich schenke Wein nach und kredenze dann die »Sweet Rolls«, eine den Sushi-Makis nachempfundene süße Köstlichkeit aus Pfannkuchen, Milchreis und Frucht. Statt Soja- gibt es dazu Schokoladensoße.
»Das sieht ja köstlich aus«, schwärmt Lydia entzückt. Ihre Wimperntusche ist ein wenig verlaufen, aber die Augen strahlen. Wahrscheinlich fühlt sie sich wie eine Prinzessin. Und wie ich Benjamin einschätze, zum ersten Mal in dieser Ehe. Mich überkommt ein Hauch von Mitleid, als ich sie da so mit glühenden Wangen sitzen sehe. Traurig für sie, dass ihr blöder Mann nicht mal von selbst auf die Idee gekommen ist, sie mit einem romantischen Abend zu überraschen. Aber die Hauptsache ist doch, dass sie glücklich ist. Oder?
Der Rest des Abends verläuft ganz nach Plan, und als Lutz gegen zwei Uhr nachts wieder in unsere Wohnung kommt, sitze ich noch am Rechner und tüftele an der »Gebrauchsanweisung für Frauen«.
AMORS WICHTEL
Gebrauchsanweisung für Frauen:
• Sagen Sie ihr, dass Sie glücklich mit ihr sind.
• Schreiben Sie ihr Nachrichten auf den Badezimmerspiegel.
• Tragen Sie ein Foto von ihr bei sich.
• Halten Sie ihr die Tür auf.
• Helfen Sie ihr in den Mantel.
• Machen Sie ihr Komplimente.
• Küssen Sie ihren Nacken.
• Seien Sie ein bisschen eifersüchtig …
• ...aber nicht zu sehr.
• Sagen Sie ihr, dass Sie sie lieben.
• Gehen Sie nicht fremd.
• Gucken Sie nicht anderen Frauen hinterher.
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Während Lutz sich im Badezimmer wieder in sich selbst verwandelt, lese ich ihm durch die geschlossene Tür meine bisher gesammelten Punkte vor.
»Es geht nur um Sachen, die jeder noch so beschäftigte Mann ganz ohne zusätzlichen Aufwand in den Alltag mit seiner Frau integrieren kann«, erläutere ich noch mit erhobener Stimme mein Konzept, bevor ich loslege. Nachdem ich geendet habe, lausche ich erwartungsvoll auf seine Reaktion. Dann klopfe ich ungeduldig an die Tür.
»Lutz? Hast du das alles gehört?«
»Ja«, kommt es gedämpft zurück.
»Und? Was meinst du?« Der macht es vielleicht spannend. In diesem Moment öffnet sich die Badezimmertür, und der Lutz, den ich kenne, tritt heraus.
»Was ich meine? Ich meine, dass dein Simon echt ein toller Kerl gewesen sein muss!«
Kapitel 12
Schauspieler sind eindeutig schlauer als ihr Ruf. Dieser hier zum Beispiel hat sofort kapiert, wo ich meine Weisheiten zum Thema »Was Frauen wollen« hergenommen habe: Aus meiner Beziehung mit Simon nämlich. Ich gebe zu, dass ich in den letzten Stunden die eine oder andere Träne verdrückt habe, weil ich mich zwangsläufig an ihn erinnern musste. Ich hätte das ganze Konzept auch einfach unter dem Sammelpunkt »SEI WIE MEIN EX« zusammenfassen können. Dabei habe ich Dinge wie
• presse ihr jeden Morgen frischen Orangensaft
• stäube Herzen aus Kakaopulver auf ihren Milchkaffee
• bastele einen Adventskalender
noch außen vor gelassen. Denn für solche Extras haben unsere Kunden schließlich keine Zeit.
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