Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
vergessen, was Simon mir angetan hat? Dass er mich einfach verlassen hat, von einem Tag auf den anderen, ohne sich darum zu kümmern, dass er mich in einem Scherbenhaufen zurücklässt. Nun, vergessen habe ich das vielleicht nicht, aber anscheinend doch mit einigem Erfolg verdrängt. Auch darüber, dass er sich in Nullkommanix eine neue Freundin zugelegt hat, hätte ich hinweggesehen. Und ich war bereit, ihm zu verzeihen. Einfach so. Aber Simon wollte gar keine Absolution von mir. Und noch viel weniger wollte er mich zurück. Hat sich gedacht, die Vivi, das alte Haus, war doch ein dufter Kumpel, kann man doch mal auf einen Kaffee treffen, wenn gerade nichts anderes anliegt. Sie hat einen neuen Freund, ich habe Laura, alles ist in Butter, und wir können Freunde sein. Dieser verfluchte Mistkerl!
»Uaah, hör auf damit«, ruft Lutz flehend, und ich sehe ihn irritiert an.
»Womit denn?«
»Du knirschst mit den Zähnen, da läuft es mir kalt den Rücken runter.«
»Verzeihung.« Jetzt ruiniere ich mir auch noch mein makelloses Gebiss wegen dieses Mistkerls. Mistkerl, Mistkerl!
In diesem Moment erhalte ich eine SMS von diesem Mistkerl:
DAS WAR JA JETZT EIN BISSCHEN PEINLICH. ER WOHNT SCHON BEI DIR???
Ich starre auf die drei Fragezeichen am Ende der Nachricht und frage mich, ob Simon vielleicht ein klitzekleines bisschen eifersüchtig ist. Das geschähe ihm ganz recht.
ER IST MEIN MITBEWOHNER schreibe ich zurück, und das ist die reine Wahrheit. Keine zwanzig Sekunden später bekomme ich eine Antwort.
HAHA!
Oh, mein Ex ist »not amused«, wenn ich das richtig deute. Schon geht es mir ein kleines bisschen besser. Ich lege mein Handy zur Seite, um wieder mit der Arbeit zu beginnen, da piepst es erneut.
»Sag mal, der bombardiert dich aber ganz schön mit Nachrichten«, stellt Lutz fest und hebt vorwurfsvoll den Kopf.
»Na und«, meine ich achselzuckend und öffne die SMS.
»Was heißt hier na und. Ich finde das ganz schön respektlos mir gegenüber.«
BABSI HAT AM FREITAGABEND EINE AUSSTELLUNG IN DER GALERIE ZEITART. SAG BESCHEID, OB IHR KOMMEN MÖCHTET! LIEBER GRUSS, SIMON
Ich schlucke schwer. Da ist er wieder, der gute alte LIEBER GRUSS, SIMON. Seine Subtext-Nachrichten gehen mir allmählich auf die Nerven:
LIEBE VIVI, FALLS DU ES NICHT DADURCH VERSTANDEN HAST, DASS ICH MICH MIT HÄNDEN UND FÜSSEN GEGEN DEINE KUSSATTACKE GEWEHRT HABE: ICH HABE EINE NEUE FREUNDIN. WIR KÖNNEN ABER GERNE DUFTE KUMPELS BLEIBEN. UND MIT DEINEM KOMISCHEN DOKTOR KANNST DU MICH AUCH NICHT EIFERSÜCHTIG MACHEN. LIEBER GRUSS, SIMON
Wenn ich das richtig interpretiere, schlägt er doch tatsächlich ein Double Date vor. Simon und Laura und Doktor Wichtel und ich in trauter Viersamkeit, umzingelt von einigen Kunstbegeisterten und abstrakten Frauenkörpern aus Alabaster und Marmor, das kann ja heiter werden.
»Hörst du mir eigentlich zu?«, erkundigt sich Lutz mit einem gereizten Unterton in der Stimme.
»Ja doch, ich hab’s gehört«, sage ich giftig, »du magst es nicht, wenn ein anderer dein Revier bepinkelt.«
»Allerdings.«
WIR FREUEN UNS SEHR. IM ÜBRIGEN HANDELTE ES SICH BEI DEM ANGEBLICHEN GRASHALM UM EIN EXEMPLAR AUS DER GATTUNG DER RESTIONACEAE. SEHR SELTEN HIERZULANDE. LIEBER GRUSS, VIVI
»Keine Sorge, du bekommst am Freitag Gelegenheit, ausgiebig zurückzupinkeln«, sage ich zu Lutz, kaum dass ich die Nachricht abgeschickt habe, »wie würde dir das gefallen?«
»Hä?«
»Simons Schwester ist Bildhauerin, und wir gehen gemeinsam zu ihrer Vernissage«, sage ich bestimmt. »Und du ziehst bitte wieder deinen Anzug an und machst einen auf supererfolgreich.«
»Und wir treten da als Paar auf?«
»Und was für eins«, sage ich und grinse diabolisch.
Kapitel 15
Am Freitagvormittag fahre ich gemeinsam mit Lutz zu La-Moda in die Innenstadt. Das ist das Abendmodengeschäft, wo Lydia ihr wunderschönes Kleid gekauft hat.
»Eins ist mir noch nicht ganz klar«, meint Lutz, während wir gemeinsam in Richtung Hanseviertel schlendern, »in welcher Funktion bin ich heute Abend unterwegs?«
»Na, als mein Freund, ich dachte, das hättest du kapiert«, sage ich und rolle unauffällig die Augen gen Himmel. Das ist doch wohl wirklich nicht so schwer zu begreifen.
»Das ist mir schon klar. Ich meine, engagierst du mich als deinen Begleiter, oder als Schauspieler, oder als deinen Angestellten?« Während ich noch versuche, herauszufinden, was er damit meint, fügt er hinzu: »Letzteres käme dich auf jeden Fall am
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