Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
billigsten.«
»Du willst, dass ich dich bezahle?«, frage ich und schnappe empört nach Luft.
»Nun, beim Begleitservice kostet ein Date dreihundert Euro.«
»Das zahle ich auf keinen Fall«, sage ich entschlossen. »Immerhin darfst du mich den ganzen Abend küssen und mir an meinen knackigen Hintern fassen. Eigentlich müsstest du mir dafür was bezahlen.« Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, und bevor er mir etwas Beleidigendes sagen kann, rede ich schnell weiter. Gut möglich, dass ich sonst sofort in Tränen ausbrechen würde, ich habe nämlich heute schwerste PMS. Als wäre das Ganze nicht schon nervenaufreibend genug. »Na schön, ich zahle dir deinen ganz normalen Stundenlohn«, biete ich ihm seufzend an.
»Einverstanden. Es wird bestimmt ganz lustig. Was hältst du davon, wenn ich mit einem ganz leichten, nordischen Akzent spreche? So näselnd, weißt du, wie so ein piekfeiner Pinkel von der Elbchaussee«, gibt er mir gleich eine Kostprobe, doch leider muss ich ihn enttäuschen.
»Das geht leider nicht. Simon hat dich doch schon sprechen gehört. Also musst du wohl hochdeutsch reden.«
»Na gut. Und was genau mache ich? Ich meine, beruflich?«
»Du bist Unternehmensberater. Einer der besten. Und darum bist du so teuer, dass es sich keine Firma leisten kann, dich fest einzustellen. Deshalb arbeitest du freiberuflich und hast nebenbei mit mir eine eigene Beratung aufgebaut. Über die sprechen wir aber nicht.« Das wäre mir viel zu kompliziert. »Auf jeden Fall bist du schwer reich, hast BWL studiert.«
»Habe ich ja auch«, freut sich Lutz.
»Fertig studiert«, versetze ich ihm einen Dämpfer. »Und danach hast du in den USA deinen MBA gemacht. Und das Wahnsinnskleid, was ich mir gleich kaufen werde, hast du mir heute geschenkt«, füge ich hinzu und trete vor das Schaufenster, in dem ein traumhaftes, fliederfarbenes Ballkleid ausgestellt ist. »Wahnsinn«, seufze ich und betrachte die bestickte Corsage und den gebauschten Rock. Aber das wäre für heute Abend doch ein bisschen zu viel des Guten. Wir werden sowieso schon völlig overdressed sein, aber das ist mir egal. Ich will die umwerfendste Frau in dem umwerfendsten Kleid mit dem umwerfendsten Mann auf der ganzen Vernissage sein. Die Leute sollen reihenweise zu Boden gehen. Ich möchte über Simons lang hingeschlagenen Körper hinweg ins Innere der Galerie schreiten.
»Sollen wir reingehen?«, weckt Lutz mich aus meinen Tagträumen, und ich folge ihm ins Innere des Ladens, wo uns eine stark geschminkte Frau mittleren Alters mit gepflegter, grauer Kurzhaarfrisur lächelnd entgegentritt.
»Guten Tag«, meint sie freundlich, und in ihren Augen blitzt es auf, als sie Lutz wiedererkennt. »Ach, Sie waren doch erst letzten Mo …« Erschrocken unterbricht sie sich und hält sich die Hand vor den Mund. Sehr unauffällig, wirklich. Wenn Lutz nun tatsächlich mein Freund und mit einer anderen Frau hiergewesen wäre, hätte ich das spätestens jetzt kapiert. Aber ich schüttele beruhigend den Kopf und sage:
»Keine Sorge, Sie haben sich nicht verplappert. Tatsächlich würde ich gerne genau das Kleid anprobieren, das seine Begleitung gekauft hat.«
»Ach so?« Sie starrt mich leicht verwirrt an.
»Bodenlang, feuerrot, mit Neckholder …«
»Ja, natürlich, einen Moment.« Damit geht sie in den hinteren Teil des Ladens, wo auf einer Stange Abendkleid neben Abendkleid hängt. Mit leuchtenden Augen sehe ich mich um und bin selbst von mir überrascht, dass ich mich wie im Paradies fühle. Nanu! Für so einen Kram hatte ich bisher doch gar nichts übrig. Eine Minute später steht sie vor mir und hält mir das Kleid entgegen.
»Größe 36, nicht wahr?«, meint sie und mustert mich abschätzend.
»Meistens ja«, gebe ich ihr recht. »Allerdings bin ich recht groß.« Als ob sie das nicht sehen könnte.
»Die Kleider sind immer eher zu lang als zu kurz, probieren Sie es ruhig«, meint sie und hält einladend den cremeweißen Vorhang zur Umkleidekabine auf. Ich steige aus Jeans und Pullover und schlüpfe in das Kleid. Der schwere Stoff schmiegt sich wie eine zweite Haut an meinen Körper und fällt bis auf den Boden. Gerade will ich nach einem Paar hochhackigen Schuhen fragen, als mir diese wie von Zauberhand über den Vorhang hinweg gereicht werden. Ebenfalls feuerrot und mit hohem Pfennigabsatz. Ich steige hinein und trete aus der Kabine. Lutz, der mehr oder minder gelangweilt herumsteht und aus dem Fenster schaut, stößt einen überraschten
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