Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
nicht tun.«
»Doch, ich will es«, versichere ich ihm. »Wirklich.«
»Mag sein. Aber ich nicht«, gibt er ruhig zurück. Ich brauche eine Sekunde, um zu begreifen, was er meint.
»Ach so«, sage ich dann gedehnt und weiche einen Schritt zurück.
»Vivi, du darfst das nicht falsch verstehen. Das ist nicht persönlich gemeint.«
»Natürlich nicht«, stelle ich sachlich fest. »Du hast schon jede Frau in ganz Hamburg gevögelt und bei mir machst du plötzlich einen auf moralisch. Wieso sollte ich das persönlich nehmen?« Ich nicke heftig mit dem Kopf. »Ist schon klar.«
»So siehst du mich also«, fragt er mit versteinertem Gesichtsausdruck.
»Wie sonst?«, gebe ich spitz zurück. »Ist ja offensichtlich.«
»Ich dachte, du würdest mich vielleicht etwas besser kennen.«
»Oh, Entschuldigung«, lache ich höhnisch auf, »wahrscheinlich entspringen all diese Blondinen, die sich hier bei uns die Türklinke in die Hand geben und die Lustschreie aus deinem Schlafzimmer nur meiner Fantasie, und du lebst eigentlich wie ein Mönch.«
»Mag sein, dass ich durch die Gegend schlafe, und vielleicht ist das keine meiner tollsten Eigenschaften, aber ich hätte gehofft, dass du als meine Freundin etwas mehr in mir siehst als das«, erwidert er heftig. »Dass du weißt, wie wichtig mir unsere Freundschaft ist. Und dass ich deinen jetzigen Zustand niemals ausnutzen würde, um dich flachzulegen.«
»Aber …«
»Hab mich wohl getäuscht. Anscheinend hast du nie weiter geguckt als bis hier.« Damit tippt er sich unmissverständlich gegen die Stirn und rauscht mit einem bissigen »Gute Nacht« an mir vorbei in sein Zimmer.
Kapitel 16
Oh Gott, ist mir schlecht! Als ich am nächsten Morgen erwache, fühle ich mich, als wäre ich neunzig Jahre alt. Mindestens. Mein Schädel brummt, der Magen rumort, und sämtliche Muskeln fühlen sich an, als wäre ich gestern fünfmal um die Alster gejoggt. Aber noch schlimmer als meinem Körper geht es meiner Seele. Meinem Herzen. Eindrücke des letzten Abends schießen mir durch den Kopf, und ich wickele mich fest in meine Decke ein. Wie gemein sie alle zu mir waren. Niemand hat mich lieb! Erst sagt Simon all diese schrecklichen Sachen zu mir, und wenn ich mich dann Trost suchend an Lutz wende, was macht der Typ, der sich angeblich mein »Freund« nennt? Nicht genug damit, dass er mich in meiner verzweifelten Suche nach ein bisschen Nähe und Wärme zurückweist, nein, danach haut er auch noch in dieselbe Kerbe. Womit habe ich das verdient? Am liebsten möchte ich keinen von beiden jemals wiedersehen. Was im Falle von Simon wahrscheinlich nicht so schwer sein wird. Bei Lutz hingegen … Aber den werde ich auch los. Schließlich bin ich hier die Hauptmieterin. Der fliegt schneller raus, als er gucken kann. Und dann suche ich mir einen anderen Mitarbeiter. Arbeitslose Schauspieler gibt es ja schließlich wie Sand am Meer. Grimmig rappele ich mich auf, um meinen Plan »Eliminierung Lutz aus meinem Leben« sofort in die Tat umzusetzen, sinke dann jedoch wieder stöhnend in die Kissen zurück. Nun ja, das kann ich auch später noch machen. Vielleicht sollte ich jetzt noch ein Stündchen schlafen, damit sich mein Körper von dem gestrigen Alkoholangriff erholen kann. Wann werde ich endlich begreifen, dass ich keinen Alkohol vertrage, und die Finger vom Feuerwasser lassen?
Ich werde Lutz doch nicht rausschmeißen. Weder aus meiner Wohnung noch aus meiner Firma. Sofern er an beidem noch Interesse hat. Nach einer heißen Dusche und zahllosen Ausflüchten gebe ich vor mir selber zu, dass ich mich wohl daneben benommen habe. Kein schönes Gefühl. Reumütig bereite ich einen großen Becher Milchkaffee zu und klopfe dann an Lutz Zimmertür.
»Herein.« Ich öffne die Tür und lächele Lutz, der sich vollkommen verschlafen im Bett aufgerichtet hat, zaghaft an.
»Guten Morgen. Ich hab dir einen Kaffee gemacht.« Er sieht mich ein bisschen reserviert an, nimmt ihn aber dann entgegen.
»Danke.«
»Lutz, wegen gestern …«
»Tut mir Leid, Vivi«, entschuldigt er sich. Ich schüttele energisch den Kopf.
»Nein, mir tut es Leid. Du hattest Recht, ich hatte dir gegenüber Vorurteile, seit ich dich kenne. Und die habe ich aufrechterhalten, obwohl ich dich mittlerweile besser kennen sollte.« Uff. Ich schlucke schwer. Das war gar nicht so einfach.
»Na ja, wahrscheinlich lädt mein Lebenswandel aber auch dazu ein«, wiegelt er versöhnlich ab.
»Trotzdem«, sage ich bestimmt und lasse mich auf
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