Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
wir besser nach Hause gehen.«
»Nein, das geht nicht. Du musst doch Simon noch davon überzeugen, dass du der tollste Mann der Welt bist, damit er nicht denkt, dass ich ihm hinterhertrauere«, argumentiere ich schleppend.
»Lass uns wenigstens mal kurz an die frische Luft gehen. Wirklich, Vivi, du siehst nicht gut aus.«
»Nicht?«, frage ich entsetzt.
»Doch, du siehst ganz toll aus, nur nicht so gesund. Du weißt doch, was ich meine.« Ich nicke, wobei es mir vorkommt, als sei mein Kopf aus Blei. Gerade, als Lutz mich unterhaken will, um mich aus dem Raum zu führen, steht wie aus dem Nichts plötzlich Simon vor uns.
»Kann ich mal kurz mit dir reden?«, fragt er mit entschlossener Stimme und schiebt nach einem schiefen Blick auf Lutz noch ein »Allein?« hinterher. Ich muss all meine Willenskraft aufbringen, aber irgendwie gelingt es mir, die Schultern zu straffen und meinem Exfreund gerade in die Augen zu sehen.
»Wir wollten eigentlich gerade mal an die frische …«
»Wunderbar, das wollte ich auch«, unterbricht er mich und wendet sich dann an Lutz: »Entschuldige uns, vielleicht kannst du in der Zwischenzeit ein Dutzend Skulpturen von meiner Schwester kaufen.«
»Na ja, so viel Geld habe ich auch wieder nicht«, gibt dieser zurück, und ich schüttele innerlich den Kopf. So rettet er seinen verunglückten Auftritt auch nicht mehr.
»Kommst du nun mit oder nicht«, fragt Simon mich unfreundlich und wendet sich zum Gehen. »In dem Ton schon mal gar nicht«, würde ich am liebsten sagen, stattdessen stolpere ich ihm so würdevoll, wie meine hohen Schuhe und mein Zustand es mir erlauben, hinterher.
Als ich ohne meinen Mantel nach draußen trete, überzieht eine Gänsehaut meinen Körper, und ich schlinge fröstelnd die Arme um mich. Andererseits scheint mir die plötzliche Sauerstoffdosis auch gutzutun, denn mein Gehirn fühlt sich nicht mehr ganz so in Watte gepackt an wie drinnen. Gierig fülle ich meine Lungen mit der frischen Abendluft. In diesem Moment dreht sich Simon abrupt zu mir um. Unter seinem Blick wird mir noch eine Spur kälter.
»Das ist also dein neuer Freund«, erkundigt er sich verächtlich. Ich fühle mich wie ein Lamm vor der Schlachtbank. Hilflos blinzele ich zu Simon hoch, der trotz meiner hohen Absätze noch ein Stückchen größer ist als ich. Soll ich jetzt einfach »Nein« sagen und die ganze Geschichte aufklären? Aber wie soll ich das tun, ohne dabei völlig mein Gesicht zu verlieren?
»Ich …«, beginne ich etwas unsicher, als er mich schon wieder unterbricht.
»Na, herzlichen Glückwunsch. Da hast du ja einen tollen Fisch an Land gezogen.« Seine Stimme trieft geradezu vor Verachtung. »Wenn ich das so sagen darf: Ihr beide gebt wirklich ein klasse Paar ab.« Ich schlucke schwer, meine Kehle fühlt sich plötzlich so trocken an. »Jetzt hast du endlich den Mann, den du immer wolltest, und der ich nie sein konnte. Jemanden, der dir ebenbürtig ist.«
»Simon«, will ich ihn unterbrechen, aber er hat sich so in Rage geredet, dass er mich gar nicht zu hören scheint.
»Als neutraler Beobachter muss ich dir leider mitteilen, dass dieser Typ ein echtes Arschloch ist, aber das scheint dir ja egal zu sein. Hauptsache, er ist ein Karrieretier und hat Geld wie Heu.« Auch wenn ein großer Teil meiner Konzentration gerade meinen Knien gilt, die aus irgendeinem Grund unter mir einknicken zu wollen scheinen, will ich das nicht auf mir sitzen lassen.
»Du kennst ihn doch gar nicht«, sage ich schrill. »Und meinst du wirklich, dass du dich als neutralen Beobachter bezeichnen darfst?« Zack, das hat gesessen.
»Babsi findet ihn auch total bescheuert«, trumpft er auf.
»Es geht dich doch gar nichts an, mit wem ich zusammen bin«, gebe ich gereizt zurück, und er nickt heftig mit dem Kopf.
»Da hast du vollkommen Recht. Dieser Schmierlappen da drinnen bestätigt mich eigentlich nur darin, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, dich zu verlassen.« Entsetzt starre ich Simon an, ich fühle mich, als hätte er mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. »Aber irgendwie ist das Ganze ja auch typisch für dich, du hast den Leuten ja noch nie weiter als bis vor die Stirn geguckt«, meint er noch abfällig, bevor er mich einfach stehen lässt und mit langen Schritten in die Galerie zurückgeht.
Ich stehe da wie zur Salzsäule erstarrt, und während abwechselnd Kälte- und Hitzeschauer durch meinen Körper jagen, spüre ich, wie mein Magen rebelliert. Panisch sehe ich
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