Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
seiner Bettkante nieder. »Es stimmt schon, dass man sich die Leute genauer angucken muss und nicht nur nach dem Offensichtlichen beurteilen darf.«
»Vergeben und vergessen«, sagt er, und ich atme erleichtert auf. Das war ja einfacher, als ich dachte. »Und was unternimmst du jetzt wegen Simon?«, erkundigt sich Lutz, und meine Stimmung sinkt wieder rapide ab. Unschlüssig zucke ich mit den Schultern.
»Was soll ich da unternehmen? Er hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Daran werde ich mich halten.«
»Außer über Laura«, erinnert mich Lutz, und ich nicke.
»Außer über Laura, natürlich. Aber das ist ja etwas anderes. Das kann ich abstrahieren.«
»Du willst ihn einfach aufgeben?«, fragt er mich und sieht mich ehrlich empört an.
»Was soll denn das nun wieder heißen?«, rufe ich aus. »Er hat doch mich aufgegeben, mit dieser Entscheidung hatte ich überhaupt nichts zu tun. Weder im Dezember noch gestern.«
»Und wenn du ihm die Wahrheit sagst? Über mich, das ganze Theater von gestern und … über deine Gefühle.«
»Dann ändert das nichts an der Tatsache, dass er findet, mich zu verlassen, war die beste Entscheidung seines Lebens«, sage ich und füge, als ich Lutz’ mitfühlenden Blick auf mir ruhen spüre, schnell hinzu: »Können wir jetzt bitte über etwas anderes reden?«
Wie immer, wenn ich über mein verkorkstes Privatleben nicht nachdenken will, stürze ich mich in die Arbeit. Und da gibt es einiges zu tun. Der Ansturm auf »Amors Wichtel« lässt nicht nach, und Lutz und ich schieben die ganze Woche reihenweise Überstunden.
»Amors Wichtel, Viviane Sonntag, was kann ich für Sie tun«, spule ich zum x-ten Mal mein Sprüchlein herunter, während ich zeitgleich meinen Kalender mit anstehenden Geburts- und Jahrestagen aktualisiere. Au Backe, der 15. April und damit Simons Geburtstag rückt näher. Also muss ich mich wohl zwangsläufig doch wieder mit ihm beschäftigen.
»Vivi, hier ist Benjamin«, erklingt es von der anderen Seite der Leitung.
»Hey, was gibt’s?«, erkundige ich mich. »Ist was nicht in Ordnung?«
»Doch, doch, alles bestens. Hör zu, es geht um Folgendes, äh, na ja …«
»Ja?« Sein Gestammel verwundert mich einigermaßen, er ist nicht der Typ, der lange um den heißen Brei rumredet.
»Es ist so, ein Freund von mir möchte gerne deinen Service in Anspruch nehmen.«
»Wie schön«, freue ich mich.
»Das Problem ist nur, nun, also, er möchte anonym bleiben.«
»Darf man fragen, weshalb?«, erkundige ich mich geschäftsmäßig und öffne das Formular »Neukunde«.
»Ich glaube, es ist ihm irgendwie peinlich.« Benjamin lacht verlegen.
»Aber wir behandeln doch alles streng vertraulich, hast du ihm das nicht gesagt?«, erkundige ich mich eine Spur beleidigt.
»Doch, doch. Trotzdem.«
»Wie soll ich einen Vertrag mit jemandem abschließen, der sich nicht zu erkennen geben will?«, frage ich ein wenig ratlos, aber darüber haben sich die beiden scheinbar schon so ihre Gedanken gemacht.
»Er hat mich gebeten, das Ganze über mich laufen zu lassen. Er gibt mir das Geld dann hinterher wieder, aber die Rechnungen schickst du ganz einfach an mich.«
»Aha?« Ich bin noch nicht recht überzeugt. Warum stellt der Typ sich denn so an? Na ja, mir kann es ja eigentlich egal sein.
»Und die Dame, um die es geht, dürfte ich über die etwas erfahren oder will er die auch geheim halten? Dann hätten wir nämlich ein Problem«, sage ich mit leisem Spott, auf den Benjamin aber nicht eingeht.
»Er hat schon den Fragebogen ausgefüllt, er ist in diesem Moment auf dem Weg zu dir.« Und tatsächlich meldet mein Rechner keine fünf Sekunden später einen neuen Posteingang. »Und er hätte noch eine Bitte …«
»Nun?« Ich klemme mir den Hörer zwischen Schulter und Ohr und beginne, den Fragebogen zu studieren, während Benjamin fortfährt:
»Es ist ein bisschen überstürzt, aber er hätte gerne heute Abend ein Date mit ihr.«
»Heute Abend?«
»Ich habe ihm erzählt, wie toll du das mit Lydias Geburtstag hinbekommen hast. Und wie kurzfristig. Und da dachten wir …« Oh nein. Mit Grauen denke ich an diesen Tag zurück. Wenn der glaubt, ich gebe wieder die Kellnerin mit blondem Fiffi auf dem Kopf, dann hat er sich aber geschnitten. Dennoch bleibe ich ganz geschäftsmäßig:
»Was hat er sich denn vorgestellt?«
»Nichts draußen oder so. Er möchte, dass du ihm eine schicke Hotelsuite buchst und Anna, ich
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