Mit Fünfen ist man kinderreich
Spielzeugeisenbahnen, sie weigerte sich, Kleider zu tragen und wünschte sich zu ihrem vierten Geburtstag einen Indianerkopfschmuck und Fußballstiefel. Als mir ein Nachbar erzählte, er habe gerade unseren Jüngsten aus seinem Apfelbaum geholt, auf Steffi zeigte und anerkennend hinzufügte: »Der Kleine klettert wie ein Affe!«, wurde mir endgültig klar, daß Stefanie offenbar nur rein anatomisch gesehen ein Mädchen war. Immerhin bestand noch die vage Möglichkeit, daß ihre Fehlentwicklung auf den ständigen Umgang mit größeren Brüdern zurückzuführen war. Wenn sie noch eine Schwester bekäme, würde sie sich vielleicht ändern, mütterliche Instinkte könnten erwachen …
Die Eröffnung, sie werde bald eine kleine Schwester haben, quittierte Stefanie mit Ablehnung. »Ich will lieber einen kleinen Bruder, Mädchen finde ich doof!« Entsprechend groß war ihre Empörung, als sie sich gleich mit zwei Schwestern abfinden mußte.
Ich war darüber nicht empört, sondern schlichtweg entsetzt! Zwillinge! Und ganz ohne Vorwarnung! Irgendwo hatte ich mal gelesen, daß man Zwillingsgeburten früh genug diagnostizieren kann, um ihre Eltern rechtzeitig und in homöopathischen Dosen auf das bevorstehende doppelte Ereignis vorbereiten zu können. Anscheinend hatte ich den falschen Arzt erwischt, denn er war genauso überrascht wie ich. Und als Rolf mich zum ersten Male besuchte, zeigte seine Miene auch nicht gerade überschäumendes Vaterglück.
Nun waren wir also – statistisch gesehen – eine Großfamilie. Im Dritten Reich hätten mir das Mutterkreuz sowie ein Pflichtjahrmädchen zugestanden; jetzt stand uns lediglich ein staatliches Kindergeld zu, von dem weniger kinderreiche Mitbürger vermuteten, es würde uns ein sorgenfreies Leben auf Rentenbasis ermöglichen. Dabei reichte es gerade, um die jetzt unerläßliche Haushaltshilfe zu bezahlen. Wir standen ohnehin kurz vor dem finanziellen Ruin. Der bereits gekaufte Kinderwagen mußte gegen einen doppelt so teuren Zwillingswagen umgetauscht werden. Das schon zehn Jahre alte Körbchen kam zurück auf den Boden, statt dessen wurden zwei Kinderbetten gekauft. Eine komplette zweite Babyausstattung war nötig, und was die beiden Neubürger im Laufe eines Monats an Säuglingsnahrung verbrauchten, warf alle finanziellen Kalkulationen über den Haufen.
Außerdem wurde wieder einmal die Wohnung zu klein! Einen Neuzugang hätten wir räumlich noch verkraften können, aber zwei waren zu viel! Nach nächtelangen Diskussionen, die immer irgendwann in den frühen Morgenstunden endeten (ich weiß gar nicht mehr, wann wir damals eigentlich geschlafen haben), kamen wir zu folgendem Entschluß: Rolf würde seine zwar gesicherte, für unsere gestiegenen Ansprüche aber zu gering dotierte Stellung aufgeben und sich selbständig machen. Darüber hinaus würden wir umziehen müssen (zum siebenten Mal!), und zwar in eine Gegend, von der aus man die industriellen Schwerpunkte Süddeutschlands möglichst schnell erreichen kann.
Wir beschlossen also den Erwerb eines Hauses – über die Finanzierung wollten wir uns später den Kopf zerbrechen –, das erstens bereits fertig sein mußte, zweitens genügend Platz für die zahlreichen Familienmitglieder und ihre inzwischen noch zahlreicheren Hobbys zu bieten hatte und drittens außerhalb einer Stadt, aber noch innerhalb einigermaßen zivilisierter Gebiete liegen mußte.
Überraschenderweise fanden wir sehr schnell das ideale Domizil. Allerdings konnten wir es nicht kaufen, sondern nur mieten, aber das paßte uns sogar noch besser ins Programm. Man soll einen neuen Lebensabschnitt nicht unbedingt mit Schulden beginnen.
Und nun war es mal wieder soweit. Wir saßen auf den gepackten Kisten und den zusammengerollten Teppichen und warteten auf den Möbelwagen, der schon vor anderthalb Stunden hätte dasein sollen.
3
»Sie kommen!« Sascha verließ seinen Beobachtungsposten auf dem Garagendach via Regenrinne und stürmte ins Haus.
»Sie kommen, und sie bringen mindestens einen Güterwagen mit!« Tatsächlich bog der längst überfällige Möbelwagen unter Mitnahme einiger Heckenrosenzweige in die Einfahrt, setzte dann wieder zurück, weil der Anhänger schon das Garagentor eingebeult hatte, fuhr erneut an, rasierte einen weiteren Teil der Rosenkultur ab und kam endlich zum Stehen. Vier lebende Kleiderschränke stiegen aus, die sich vor mir aufbauten und ihre Verspätung mit der am Abend zuvor besuchten Richtfestfeier begründeten. Ganz
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