Mit Fünfen ist man kinderreich
nüchtern schienen sie noch immer nicht zu sein, zumindest ließen ihre Fahrkünste entsprechende Rückschlüsse zu.
Dafür waren sie aber bereit, die verlorene Zeit nach Kräften wieder aufzuholen. Um ein freies Arbeitsfeld zu bekommen, hob einer der Muskelmänner die Flurtür aus den Angeln und stellte sie sorgfältig an die Wand, worauf der zweite in Unkenntnis der innenarchitektonischen Veränderung dagegenstieß und die Tür umwarf. Der dritte trat noch drauf, und der vierte fegte anschließend die Scherben zusammen. Dann erklärten sie mir, daß ich mir wegen der Kosten keine Sorgen zu machen brauchte, denn für derartige Schäden würde die Versicherung aufkommen. Wohlweislich verschwiegen sie dabei, daß die spätere Bewältigung der Fragenflut eine abendfüllende Beschäftigung sein würde.
Sascha kam an und wollte Bier.
»Wozu?«
»Für die Möbelmänner, die haben Durst.«
»Aber die sind doch gerade erst gekommen!«
»Den Durst haben sie noch von gestern!«
Sascha pflegte seit jeher eine intensive Freundschaft mit Bauarbeitern, und die Rituale von Richtfesten einschließlich ihrer Folgen sind ihm durchaus geläufig.
»Von mir aus hol das Bier. Aber jeder bekommt nur eine Flasche, sonst stehen wir heute abend noch hier!«
Sven tauchte auf, bewaffnet mit einer Liste und einem angeknabberten Bleistiftrest. »Da läuft alles schief, die machen das überhaupt nicht so, wie ich es geplant habe!«
Als Ältester unserer Nachkommenschaft hatte er schon die meisten Umzüge miterlebt und fühlte sich als Experte. Nach seiner Ansicht sollte man die Möbel zweckmäßigerweise Zimmer für Zimmer ausräumen und in den Möbelwagen stellen, weil sie dann noch während des Ausladens in geordneter Folge wieder eingeräumt werden könnten. Zu diesem Zweck hatte er die einzelnen Zimmer numeriert und das dazugehörige Mobiliar sowie die jeweiligen Kisten mit den entsprechenden Zahlen versehen. Leider waren die Möbelmänner nicht im geringsten geneigt, seinen organisatorischen Anordnungen zu folgen und den Teewagen neben das Bücherregal und dazwischen den Gummibaum zu stellen. Während er ihnen noch auseinandersetzte, daß der Schlafzimmerschrank absolut nicht zur Waschmaschine gehört, brachte der nächste Schwerathlet den Schreibtisch. Darauf kapitulierte Sven und suchte sich ein neues Betätigungsfeld. Er fand es im Keller, wo er die aufgescheuchten Spinnen einfing und zu dressieren versuchte!
Stefanie kam, wollte Kakao und ihr Feuerwehrauto, gab sich aber mit Milch zufrieden und spazierte dann zu einer Nachbarin, die schon die Zwillinge betreute und ihre Fürsorge im Laufe des Vormittags auf die ganze Familie ausdehnte.
»Hast du einen Schraubenzieher?« Sascha war schon wieder da.
»Nein. Wozu überhaupt?«
»Bei Lohengrin geht die Tür ab!«
Hier ist vermutlich eine Erklärung nötig: Eines Tages saß auf unserer Terrasse ein Tier, das ich als Ratte klassifizierte und mit einem »Igittigitt, pfui Deibel!« fassungslos anstarrte. Da ich ähnliche Schreie auch beim Anblick von Spinnen und Nachtfaltern von mir gebe, erschien sofort Sven auf der Bildfläche, zu dessen Pflichten als Hobby-Zoologe die Beseitigung derartiger Lebewesen gehört.
»Hast du denn jetzt schon Angst vor Goldhamstern?« Mein Sohn bückte sich kopfschüttelnd zu der vermeintlichen Ratte, hob sie auf und klärte mich weit ausholend über Herkunft und Charaktereigenschaften des Findlings auf. Die waren mir aber völlig egal, ich verlangte die sofortige Entfernung des Untiers, stieß auf erbitterten Widerstand und erklärte mich – wie immer bei Auseinandersetzungen über vierbeinige Hausgenossen – zu einem Kompromiß bereit. Sven würde das Vieh zunächst in den alten Vogelkäfig setzen und versuchen, den Besitzer ausfindig zu machen. Im übrigen war ich mir völlig darüber im klaren, daß er sich bei seinen Nachforschungen keine allzu große Mühe geben würde.
Sascha registrierte den neuen Hausbewohner mit »Was frißt der denn? Müssen wir das Futter etwa von unserem Taschengeld bezahlen?« Und Stefanie strahlte: »Das ist aber ein niedliches Mäuschen!« Womit Hamsters Verbleiben im Familienverband eine beschlossene Sache war!
Den Namen Lohengrin verdankt er Rolf. Der bekommt manchmal seinen ›klassischen Fimmel‹, wie Sven derartige Anwandlungen respektlos bezeichnet, redet einen ganzen Abend lang in Hexametern oder zitiert mit dem Pathos eines Alexander Girardi Schillers Balladen. So klärte er denn auch bereitwillig seine
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