Mit geschlossenen Augen
Luft.
Zu meinem heimlichen Vergnügen dachte er nicht im Entferntesten daran, sich für seine doch ziemlich informelle Kleidung zu entschuldigen; er bat mich, auf seinem Bett Platz zu nehmen, zog seinen Schreibtischstuhl ran und ließ sich mir gegenüber nieder. Ich war ein wenig verlegen ... verflixt noch mal! Ich hatte mir einen trockenen Pauker mit grellgelbem V-Ausschnitt-Pullover, entsprechender Gesichtsfarbe und Toupet vorgestellt. Stattdessen präsentierte sich mir ein braun gebrannter junger Mann, der wahnsinnig gut roch und absolut faszinierend war.
»Du kannst ruhig deinen Mantel ausziehen, ich fress dich nicht«, sagte er lachend. Eigentlich schade, dachte ich und lachte zurück. Bis jetzt hatte ich noch gar nicht auf seine Schuhe geschaut: glücklicherweise keine weißen Socken, nur schlanke Fesseln und gepflegte, braun gebrannte Füße, mit denen er kreiste, während wir über Bezahlung, Pro- gramm und die Anzahl der Stunden sprachen.
»Wir müssen praktisch bei Null beginnen«, sagte ich zu ihm.
»Keine Sorge, wir fangen mit dem Einmaleins an«, meinte er augenzwinkernd.
Ich saß auf dem Bettrand, hatte die Beine übereinander geschlagen und eine Hand in die andere gelegt.
»Wie hübsch du dasitzt«, sagte er, während ich ihm von meiner Mathelehrerin erzählte.
Ich biss mir wieder auf die Lippen und schnaubte wegwerfend, wie um zu sagen: »Quatsch, was sagen Sie denn da ...!«
»Ach, was ich vergessen habe: Ich heiße Valerio. Und dass du mich nie professore nennst«, meinte er und drohte mir scherzhaft mit dem Zeigefinger. »Ich komme mir sonst so alt vor ...«
Ich zögerte einen Moment. Nach so vielen Sprüchen musste ich auch mal einen vom Stapel lassen, das war klar.
Ich räusperte mich kurz und sagte dann leise: »Und wenn ich dich ganz bewusst professore nennen wollte?«
Diesmal biss er sich auf die Lippen. »Warum solltest du das wollen?«, fragte er kopfschüttelnd.
Ich zuckte mit den Schultern: »Weil es so schöner ist ‒ oder, professore?« »Nenn mich, wie du willst, aber schau mich nicht mit diesen Augen an«, sagte er, sichtlich verstört.
Jetzt war es wieder so weit. Es ist immer dieselbe Geschichte: Wenn mir einer gefällt, muss ich ihn reizen, ich kann einfach nicht anders. Jedes Wort, jedes Schweigen von mir sitzt. Ich genieße das. Es ist ein Spiel.
18. Februar 20 Uhr 35
In der Küche wird schon zu Abend gegessen. Ich habe mich einen Moment zurückgezogen, um Tagebuch zu schreiben, weil ich mir bewusst machen möchte, was heute passiert ist.
Ich hatte meine erste Nachhilfestunde bei Valerie Bei ihm kapiere ich das ein oder andere, vielleicht liegt es an seinen schönen Schultern, die ich verstohlen betrachte, oder an den vornehmen Händen mit den schlanken Fingern, die den Stift fuhren. Jedenfalls habe ich es geschafft, ein paar Gleichungen zu lösen, wenn auch mühsam. Er war sehr ernst, richtig professionell, und das hat ihn noch faszinierender gemacht. Er hat mich richtig gefangen genommen. Die Blicke, die er mir zuwarf, waren voller Bewunderung, obwohl er sich bemühte, auf Distanz zu bleiben und sich von meiner Koketterie nicht bei der Arbeit stören zu lassen.
Ich hatte extra einen knallengen Rock angezogen und es unverblümt darauf abgesehen, ihn zu verführen. Als ich am Ende aufstand und zur Tür ging, war er mir so dicht auf den Fersen, dass er fast auf mir klebte. Um mit ihm zu spielen, ging ich mal langsam, mal schnell, ließ ihn bald ganz nahe kommen und rannte ihm dann gleich wieder davon.
Beim Warten auf den Aufzug spürte ich seinen Atem im Nacken und hörte ein Flüstern: »Halte morgen zwischen zehn und Viertel nach zehn deine Telefonleitung frei.«
19. Februar 2002
22 Uhr 30
Zwei Nachrichten (wie gewöhnlich eine gute und eine schlechte). Fabrizio hat eine kleine Wohnung im Stadtzentrum gekauft, wo wir
uns treffen können, ohne dass unsere Familien etwas davon merken. »Vor dem Bett habe ich einen Fernseher mit Mega-Bildschirm aufstellen
lassen«, teilte er mir voller Begeisterung mit. »Damit wir gewisse
Filmchen miteinander anschauen können ... Na, was meinst du, Kleine?
Du bekommst natürlich auch einen Schlüssel. Einen dicken Schmatz auf
deine hübschen Bäckchen. Ciao, ciao.«
Das war natürlich die schlechte Nachricht.
Er ließ mir keine Zeit, ihm zu antworten, meine Bedenken, meine
Zweifel zu äußern. Ich finde das alles total überstürzt. Ich wollte einmal
mit ihm ins Bett gehen und damit basta, ich möchte nicht die Geliebte
eines
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