Mit geschlossenen Augen
feuchte Decke und war voll gepfercht mit Schachteln und Gerätschaften; es war sehr eng. Fabrizio drang behutsam in mich ein und legte sich auf mich, zum Glück nicht mit vollem Gewicht. Als er mich küssen wollte, habe ich den Kopf weggedreht. Seit Daniele lasse ich mich von keinem mehr küssen, meine heißen Seufzer bewahre ich mir für mein Spiegelbild auf, und meine weichen Lippen waren zu oft in Kontakt mit den gierigen Prügeln des eitlen Engels und seiner Teufel, die sie wahrscheinlich noch nicht einmal besonders geschätzt haben. So bin ich seinem Mund einfach ausgewichen, aber ohne mir meinen Ekel anmerken zu lassen. Ich tat, als wollte ich die Position wechseln, da wurde er plötzlich zum Tier; seine anfängliche Sanftheit schlug in bestialische Brutalität um, er knurrte und schrie laut meinen Namen, während sich seine Finger in meine Schenkel gruben.
»Ich bin hier«, sagte ich, und die Situation kam mir grotesk vor. Ich begriff nicht, weshalb er nach mir schrie, aber gar nicht auf seine Rufe zu reagieren, wäre mir peinlich gewesen, also sagte ich noch ein paar Mal »Ich bin hier«, und schließlich beruhigte er sich ein wenig.
»Ich komme, ich komme, darf ich drinbleiben? Bitte, bitte«, keuchte er.
»Nein, darfst du nicht.«
Mit einem Ruck war er draußen, aber er fuhr fort, meinen Namen zu rufen, zuerst laut, dann immer leiser werdend, wie ein Echo, das schließlich in einem tiefen Seufzer verebbte. Aber er hatte immer noch nicht genug, warf sich wieder über mich, wanderte abwärts: Dann hatte ich ihn noch einmal in mir drin, seine Zunge berührte mich hastig, ohne Respekt. Mein Orgasmus blieb aus, seiner kehrte wieder ‒etwas total Überflüssiges, das mich nichts anging.
»Du hast große, pralle Lippen, so richtig zum Reinbeißen. Warum enthaarst du sie nicht? So wärst du noch hübscher.«
Ich habe ihm nicht geantwortet ‒ was ich mit meinen Schamlippen mache, geht ihn nichts an.
Das Geräusch eines nahenden Autos schreckte uns auf, wir zogen uns in aller Eile an (ich konnte es kaum erwarten) und verließen die Garage. Draußen fasste er mich unters Kinn und sagte: »Das nächste Mal machen wir's uns gemütlicher, Kleine.«
Kurz darauf konnten alle auf der Straße sehen, wie ich mit zerzausten Haaren und ziemlich durcheinander aus einem Auto mit beschlagenen Fensterscheiben ausstieg, am Steuer ein grauhaariger Mann mit schief sitzender Krawatte.
11. Februar
In der Schule läuft es nicht besonders gut, vielleicht, weil ich faul und unnütz bin, vielleicht, weil meine Lehrer zu schematisch und kategorisch sind ... Kann sein, dass ich viel zu idealistische Vorstellungen von der Schule und vom Lernen überhaupt habe, Tatsache ist, dass mich die Realität total enttäuscht. Mathe hasse ich! Mich ärgert, dass Meinung in diesem Fach nicht die geringste Rolle spielt. Und diese Idiotin von einer Lehrerin hält mir ständig meine Begriffsstutzigkeit vor, ist aber eine absolute Null im Erklären. Im Anzeigenblatt Mercatino habe ich in der Rubrik Privatunterricht ein paar Annoncen angestrichen. Nur einer von den Nachhilfelehrern war disponibel ‒ ein Mann, der Stimme nach ziemlich jung; morgen treffen wir uns, um alles weitere zu besprechen.
Letizia geht mir nicht aus dem Kopf, ich muss von früh bis spät an sie denken. Was ist bloß mit mir los? Manchmal glaube ich, ich wäre zu allem bereit.
22 Uhr 40 Fabrizio hat angerufen, wir haben lange miteinander gesprochen. Am Ende fragte er mich, ob ich eventuell Räumlichkeiten für unsere Treffen zur Verfügung hätte. Ich verneinte.
»Dann ist es wohl an der Zeit, dass ich dir ein schönes Geschenk mache«, sagte er.
12. Februar
Ein Typ mit nassem Haar und schmal umrandeter Brille öffnete mir die Tür; er trug ein weißes Hemd und schwarze Boxershorts. Ich biss mir auf die Lippen und grüßte ihn. Seine Begrüßung bestand aus einem Lächeln, und als er »Bitte, Melissa, komm doch rein« sagte, hatte ich dasselbe Gefühl wie früher als Kind, wenn ich innerhalb einer Stunde Milch, Orangen, Schokolade, Kaffee und Erdbeeren durcheinander gegessen und getrunken hatte. Er rief jemandem hinter einer anderen Tür zu, dass er mit mir in sein Zimmer gehe, und ich betrat zum ersten Mal das Reich eines normalen Mannes ‒ keine Pornobilder, keine blöden Pokale, kein Chaos. Die Wände waren mit Fotos tapeziert, mit Postern von alten Heavy Metal Bands und impressionistischen Kunstdrucken. Ein verführerischer, geradezu berauschender Duft schwebte in der
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