Mit geschlossenen Augen
habe, was ich will. Nur dass ich eigentlich gar nicht weiß, was ich will. Such, Melissa, such weiter, unaufhörlich. Ich habe mich in der Site »perverser Sex« unter dem Nicknamen »whore«, Hure, in einen Chat eingeklinkt. Dann habe ich mir unter den verschiedenen Vorlieben das Entsprechende ausgesucht und ein paar Daten eingegeben, die mich interessierten. Er hat mich sofort kontaktiert; »the_carnage« war direkt, explizit und indiskret und versprach genau das »Gemetzel«, auf das ich aus war.
»Wie wirst du gerne gefickt?«, lautete sein erster Satz.
»Brutal«, antwortete ich ihm. »Ich möchte wie ein Objekt behandelt werden.«
»Möchtest du, dass ich dich wie ein Objekt behandle?«
»Ich möchte gar nichts. Tu, was du tun musst.«
»Du bist meine Hure, du gehörst mir, weißt du das?«
»Für mich ist es schwer, jemandem zu gehören, ich gehöre nicht mal mir selber.«
Dann fing er an, mir zu erklären, wo, wie und wie lange er mir seinen Schwanz reinstecken würde und wie geil das für mich wäre.
Während ich die Worte verfolgte, die immer schneller auf' dem Bildschirm erschienen, krampfte sich mir der Magen zusammen, und in mir pulsierte es vor Leben und Verlangen, sodass ich schließlich nicht anders konnte, als der Verführung nachzugeben. Diese Worte waren der Sirenengesang, dem ich mich bewusst und doch leidend ausgesetzt habe.
Erst nachdem er mir mitgeteilt hatte, dass er sich soeben in die Hand ejakuliert hatte, fragte er mich nach meinem Alter.
»Sechzehn«, schrieb ich.
Er hat eine ganze Bildschirmseite mit verblüfften Smileys gefüllt und zum Schluss noch einen lachenden Smiley dazugesetzt. Dann schrieb er: »Donnerwetter! Kompliment!«
»Wofür?«
»So jung und schon so erfahren ...«
»Ja.«
»Das nehme ich dir nicht ab.«
»Was soll ich dir erzählen ... Ist ja auch egal, wir sehen uns ja sowieso nie. Schätze, du bist nicht gerade aus Catania ...«
»Und ob! Doch, ich bin aus Catania.«
Verflixt, was für ein Zufall: Ausgerechnet ein Catanese musste mich kontaktieren!
»Und was willst du jetzt von mir?«, fragte ich ihn, obwohl ich die Antwort bereits wusste.
»Dich bumsen.«
»Das hast du doch gerade.«
»Nein«, noch ein grinsender Smiley, »in natura.«
Ich dachte ein paar Sekunden nach, bevor ich meine Handynummer eintippte, was im im selben Moment schon fast wieder bereute, dann bestätigte mir sein »Danke!«, dass ich soeben eine Riesendummheit begangen hatte.
Ich weiß nichts über ihn, nur dass er Fabrizio heißt und fünfunddreißig ist.
Wir sind in einer halben Stunde im Corso Italia verabredet.
21 Uhr oo
Ich weiß gut, dass der Teufel sich manchmal nicht gleich zu erkennen gibt, sondern erst hinterher, wenn er dich bereits erobert hat. Zuerst lächelt er gutmütig, schaut dich mit schillernden grünen Augen an, haucht dir einen Kuss auf den Hals, und dann verschlingt er dich.
Fabrizio war ein elegant gekleideter, wenn auch nicht gerade schöner Mann. Groß, kräftig, mit schütterem, grau meliertem Haar (ob er wirklich fünfunddreißig ist?), grünen Augen und grauen Zähnen — so stand er vor mir.
Im ersten Moment war ich fasziniert, aber gleich darauf erschrak ich bei dem Gedanken, dass er der Typ aus dem Chat war.
Während wir die ungewöhnlich sauberen Gehwege vor den Nobelgeschäften mit den blitzenden Schaufenstern entlanggingen, erzählte er mir von sich, von seiner Arbeit, von seiner Frau, die er nie geliebt und nur geheiratet hat, weil ein Kind unterwegs war. Er hat eine angenehme Stimme, aber eine ziemlich dumme Lache, die mich stört.
Irgendwann hat er den Arm um mich gelegt, und ich habe aus Höflichkeit gelächelt, aber eigentlich fand ich seine Aufdringlichkeit ätzend und dachte mit Bangen an das Danach. Nichts hinderte mich daran umzudrehen, mein Mofa zu holen und einfach wieder nach Hause zu düsen. Dort hätte ich mit der Katze spielen oder meiner Mutter beim Apfelkuchenbacken zuschauen können, während meine kleine Schwester uns laut aus einem Buch vorliest... Ich glaube, ich würde es spielend fertig bringen, mich in der Normalität einzurichten, sogar gut darin einzurichten: mit leuchtenden Augen herumlaufen, nur weil ich in der Schule eine gute Note bekommen habe, schüchtern lächeln, wenn mir jemand ein Kompliment macht; aber es gibt in der Normalität nichts, worüber ich staunen könnte, alles ist hohl und leer, sinnlos, mickrig und fad.
Wir sind in sein Auto eingestiegen und auf direktem Wege in eine Garage gefahren. Die Garage hatte eine
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