Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
hielt den Ort feucht und mit Klee überwuchert, was ihm den Namen Cloverpatch, Kleefleck, einbrachte. Um dem Ort ein etwas bedeutsameres Image zu vermitteln, oder vielleicht, um ihn von den Yokums und Scraggs abzusetzen, beschloss später irgendein Bürgerkomitee, den Namen zu verkürzen.
    Die Imagekorrektur brachte nicht viel. Obwohl es immer noch einige Textilfabriken gibt und in der Nähe Bremsenteile und chirurgische Instrumente hergestellt werden, passiert hier kaum etwas. Wer in Broschüren der Handelskammer blättert, erfährt, dass Unterhaltung anderswo zu haben ist: am Lake Wylie, in den Blue Ridge Mountains, an den Stränden von Carolina, bei Baseball-Spielen der Charlotte Knights und Football-Spielen der Carolina Panthers.
    In den Hügeln um Clover verstecken sich zwar einige Häuser aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg, doch es ist kein Ort für Gästetücher und gestreifte Sonnenschirme im französischen Landhausstil. Obwohl die Stadt einem Bild von Norman Rockwell entsprungen sein könnte, herrscht hier der Arbeitsanzug vor, oder genauer gesagt, gar kein Anzug.
    Um neun Uhr vierzig war ich an der Stelle, wo sich die US 321 mit der S.C. 55 kreuzt, dem schlagenden Herzen von Clover. Zwei- und dreistöckige Backsteingebäude säumten beide Teerstraßen. Wie zu erwarten war, hieß die Route 321 auf diesem Abschnitt Main Street.
    Nachdem ich mir die Karte wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, fuhr ich auf der 321 nach Süden und bog dann links in die Fiat Road ein. Danach noch dreimal rechts, und ich befand mich in einer von Sumpfkiefern und Zwergeichen gesäumten Sackgasse. Die Adresse, die Zamzow mir gegeben hatte, gehörte zu einem extrabreiten Wohnanhänger auf einer Betonfläche etwa achtzig Meter von der Straße entfernt am hinteren Ende des Grundstücks.
    Auf einer Veranda standen zwei Metallstühle, einer nackt, der andere mit grünen geblümten Sitzkissen. Rechts des Anhängers entdeckte ich einen Gemüsegarten. Der Rasen war mit Windrädchen übersät.
    Ein Carport klebte mit Saugnäpfen an der linken Seite des Anhängers, und er war voll gestopft mit merkwürdig geformten Stapeln unter blauen Plastikplanen. Eine Gruppe Weißer Hickorynußbäume warf Schatten auf eine verrostete Schaukel links des Carports.
    Ich bog auf die Kieseinfahrt ein, stellte den Motor ab und ging zur Vordertür. Unter den Windrädchen erkannte ich Little Bo Peep. Sleepey und Dopey. Eine Mutter Ente, die vier kleinere Versionen ihrer selbst anführte.
    Eine knochendürre Frau mit Augen, die zu groß für ihr Gesicht wirkten, antwortete auf mein Läuten. Sie trug eine durchhängende, von Wollknöllchen übersäte Strickjacke über einem verwaschenen Hauskleid aus Polyester. Die Stücke hingen an ihrem fleischlosen Körper wie Kleider an einem Bügel.
    Die Frau sprach durch eine Außentür aus Aluminium und Glas.
    »Hab diese Woche nichts.« Sie trat einen Schritt zurück, um die innere Tür zu schließen.
    »Mrs. Cobb?«
    »Kommen Sie von den Nieren-Leuten?«
    »Nein, Ma’am. Ich möchte mit Ihnen über Ihre Tochter sprechen.«
    »Hab keine Tochter.«
    Wieder wollte die Frau die Tür schließen, zögerte aber. Senkrechte Linien fürchten die straffe Haut ihrer Stirn.
    »Wer sind Sie?«
    Ich holte eine Karte aus meiner Handtasche und hielt sie ans Glas. Sie las die Karte, hob dann den Kopf und starrte mich an mit einem Blick voller Gedanken, die nichts mit mir zu tun hatten.
    »Leichenbeschauer?«, fragte sie.
    »Ja, Ma’am.« Mach’s nur nicht zu kompliziert.
    Das Aluminiumgitter schepperte, als sie die äußere Tür aufstieß. Kalte Luft quoll heraus, wie aus einer frisch geöffneten Gruft.
    Wortlos führte die Frau mich in die Küche und deutete zu einem kleinen Tisch mit antikgrünen Beinen und einer Platte aus Holzimitat. Das Innere des Wohnwagens roch noch Mottenkugeln, Fichtennadel-Desinfektionsmittel und kaltem Zigarettenrauch.
    »Kaffee?«, fragte sie, als ich mich setzte.
    »Ja, bitte.« Der Thermostat war offensichtlich auf fünfzehn Grad eingestellt. Ich bekam eine Gänsehaut auf Hals und Armen.
    Die Frau nahm zwei Becher aus einem Hängeschrank und füllte sie aus einer Kaffeemaschine auf der Anrichte.
    »Sie sind Mrs. Cobb, nicht?«
    »Ja.« Mrs. Cobb stellte die Becher auf das Holzimitat. »Milch?«
    »Nein, danke.«
    Mrs. Cobb nahm sich eine Packung Kools von der Deckplatte des Kühlschranks und setzte sich mir gegenüber. Ihre Haut sah wächsern und grau aus. Aus einem Komma unter ihrem linken Lid wuchs eine

Weitere Kostenlose Bücher