Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
Warze, die aussah wie eine Entenmuschel auf dem Pfahl eines Piers.
»Haben Sie Feuer?«
Ich zog Streichhölzer aus meiner Handtasche, riss eins an und hielt es ihr an die Zigarette.
»Kann die verdammten Dinger nie finden, wenn ich sie brauche.«
Sie inhalierte tief, blies den Rauch aus und schnippte die Streichholzschachtel über den Tisch.
»Stecken Sie die wieder weg. Ich will nicht so viel rauchen.«
Sie lachte schnaubend. »Schlecht für die Gesundheit.«
Ich steckte die Streichhölzer in meine Jeanstasche.
»Sie wollen über mein Kind reden.«
»Ja, Ma’am.«
Mrs. Cobb zog ein Tempo aus einer Strickjackentasche, schnauzte sich und nahm dann noch einen Zug.
»Mein Mann ist im November vor zwei Jahren gestorben.«
»Das tut mir sehr Leid.«
»Er war ein guter Christ. Eigensinnig, aber ein guter Mann.«
»Sie vermissen ihn sicher sehr.«
»Gott weiß, dass ich das tue.«
Ein Kuckuck schnellte aus seiner Uhr über dem Spülbecken und verkündete die Stunde. Wir hörten beide zu. Zehnmal Trällern.
»Er hat mir die Uhr zu unserem fünfundzwanzigsten Hochzeitstag geschenkt.«
»Sie muss Ihnen sehr am Herzen liegen.«
»Das blöde Ding ist in all den Jahren nicht kaputt gegangen.«
Mrs. Cobb zog an ihrer Kool und starrte dabei auf einen Punkt zwischen uns. Auf einen Punkt, der Jahre zurücklag. Dann hob sie das Kinn, als wäre ihr plötzlich etwas eingefallen.
»Sie haben mein Kind gefunden?«
»Möglicherweise.«
Rauch stieg von ihrer Zigarette hoch und wehte ihr übers Gesicht.
»Tot?«
»Das ist eine Möglichkeit, Mrs. Cobb. Die Identifikation ist kompliziert.«
Sie hob die Zigarette an die Lippen, inhalierte, blies den Rauch durch die Nase aus. Dann klopfte sie die Asche ab und drehte die brennende Spitze auf einem kleinen Metallteller, bis das Feuer ausging.
»Ich werde Charlie senior bald nachfolgen. Ich glaube, es ist Zeit, ein paar Sachen zu bereinigen.«
371
Sie stand auf, schlurfte in Pantoffeln, die über den Teppichboden wischten, in den hinteren Teil des Wohnwagens. Ich hörte Rascheln und etwas, das wie eine Tür klang.
Aus der Uhr tickten die Minuten. Stunden. Ein Jahrzehnt.
Schließlich kehrte Mrs. Cobb mit einem dicken, grünen und mit schwarzer Kordel verknoteten Album zurück.
»Ich glaube, der alte Bock wird mir verzeihen.«
Sie legte das Album vor mich auf den Tisch und schlug die erste Seite auf. Ihr Atem pfiff, als sie sich über meine Schulter lehnte, um auf ein Baby auf einer karierten Decke zu zeigen.
Der Finger bewegte sich zu einem Baby in einem altmodischen Korbkinderwagen. Ein Baby in einem Buggy.
Sie blätterte einige Seiten weiter.
Ein Kind mit einem Plastikhammer. Ein Kind in einer blauen Jeans-Latzhose und einer Fahrradkappe.
Noch einmal zwei Seiten.
Ein flachshaariger Junge von etwa sieben Jahren mit Cowboyhut und Doppelhalfter. Derselbe Junge fürs Baseball angezogen, einen Schläger auf der Schulter.
Drei Seiten.
Ein Teenager mit protestierend ausgestreckter Hand, den Kopf von der Kamera weggedreht. Der Teenager war ungefähr sechzehn und trug ein riesiges Golfhemd über weiten, abgeschnittenen Jeans.
Es war der Hammer-Cowboy-Baseball-Junge, doch seine Haare waren jetzt dunkler. Die Wange war glatt und rosig und von Akne übersät. Die Hüften des Jungen waren breit, sein Körper weich und feminin, die Muskeln extrem schwach ausgeprägt.
Ich schaute zu Mrs. Cobb hoch.
»Mein Kind. Charles Grant Cobb.«
Sie ging um den Tisch herum, setzte sich wieder und schloss die Finger um ihren Becher.
Sechzig Ticktöne lang lauschten wir beide dem Kuckuck. Schließlich brach ich das Schweigen.
»Ihr Sohn muss es in seinen Teenagerjahren ziemlich schwer gehabt haben.«
»Charlie junior hat nie die richtigen Veränderungen durchgemacht. Er bekam nie einen Bart. Seine Stimme veränderte sich nicht, und seine …« Fünfmal Ticken. »… Sie wissen schon.«
XXY. Ein Junge mit Klinefelter-Syndrom.
»Ja, ich weiß, Mrs. Cobb.«
»Kinder können so grausam sein.«
»Wurde Ihr Sohn je untersucht oder behandelt?«
»Mein Mann weigerte sich zuzugeben, dass mit Charlie junior etwas nicht stimmte. Als die Pubertät kam und nichts passierte, außer dass Charlie junior immer schwerer und schwerer wurde, kam mir der Verdacht, dass etwas nicht stimmte. Ich schlug vor, dass wir ihn untersuchen lassen sollten.«
»Was sagten die Ärzte?«
»Wir waren nie bei einem.« Sie schüttelte den Kopf. »Es gab zwei Dinge, die Mr. Cobb von ganzem Herzen hasste. Ärzte
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