Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
zurück. Nachdem sie im Stichwortverzeichnis nachgesehen hatte, öffnete sie den Band und legte ihn flach vor uns auf den Tisch.
    »Das …«, sie deutete mit pummeligem Finger auf ein Foto, »… ist ein Spix.«
    Der Vogel hatte einen kobaltblauen Körper und einen hellen Kopf. Die Beine waren dunkel, die Augen grau, der Schnabel schwarz und weniger gebogen, als ich erwartet hatte.
    »Wie groß waren sie?«
    »Fünfundfünfzig, sechzig Zentimeter. Nicht die größten, aber auch nicht die kleinsten Aras.«
    »Und wo flatterten die rum?« Ryan.
    »In einem trockenen Landstrich im östlich-zentralen Brasilien. Vorwiegend in der Provinz Nord-Bahia.«
    »Die Spezies gibt es nicht mehr? Es ist eine Ex-Spezies?«
    Ich verstand Ryans Anspielung auf Monty Python. Rachel nicht.
    »Der letzte wild lebende Spix verschwand im Oktober 2000«, sagte sie.
    »Das steht fest?«, fragte ich.
    Sie nickte. »Die Geschichte dieses Vogels ist wirklich ergreifend. Wollen Sie sie hören?«
    Ryan bekam diesen besonderen Blick.
    Ich starrte ihn warnend an.
    Ryan presste die Lippen zusammen.
    »Sehr gerne«, sagte ich.
    »Da man sich der prekären Lage des Spix-Aras bewusst war, beschloss Birdlife International im Jahr 1985, eine Zählung der Spezies in ihrem einzigen bekannten Lebensraum durchzuführen.«
    »In Brasilien.«
    »Ja. Die Erfassung ergab die deprimierende Zahl von fünf Exemplaren.«
    »Nicht gut«, sagte ich.
    »Nein. Und danach ging es noch weiter bergab. Ende des Jahrzehnts war die Zahl der Sichtungen auf null gesunken. 1990 ging Tony Juniper, einer der größten Papageienexperten der Welt, nach Brasilien, um herauszufinden, ob der Spix in freier Natur wirklich ausgerottet war. Nachdem Juniper sechs Wochen lang mit Allradantrieb durch Bahia getuckert war und jeden Farmer, Schuljungen, Pfarrer und Wilderer, dem er begegnete, befragt hatte, entdeckte er ein einzelnes Männchen, das in einem Baum an einem Flussufer in der Nähe der Stadt Curaca lebte.«
    »Wo ist das?«, fragte Ryan, während er in den Aras blätterte.
    »Ungefähr 1300 Meilen nördlich von Rio.« Mit einem gepressten Lächeln nahm Rachel ihm das Buch ab und klappte es zu.
    Ich rechnete schnell nach. »Der Spix lebte nach der ersten Sichtung zehn Jahre lang ganz alleine?«
    »Dieser Vogel wurde eine internationale Cause célèbre. Ein Jahrzehnt lang zeichneten Forscherteams und ein ganzes brasilianisches Dorf jede seiner Bewegungen auf.«
    »Der arme Kerl.« Ryan.
    »Und sie beobachteten nicht nur«, fuhr Rachel fort. »Die Geschichte artete in eine ornithologische Seifenoper aus. Da die Tierschützer glaubten, die Gene des Spix wären zu kostbar, um sie zu vergeuden, beschlossen sie, dass das Männchen eine Gefährtin brauchte. Aber Aras binden sich fürs Leben, und dieser kleine Kerl hatte bereits eine Geliebte, ein leuchtend grünes Rotrückenara-Weibchen.«
    »Rassenmischung gefiedert.«
    »So in der Art«, entgegnete Rachel Ryan und warf mir dann einen verwirrten Blick zu. »Obwohl das Paar nicht zusammenlebte. Der Spix lebte auf einem Facheiro-Kaktus, das Rotrücken-Weibchen in einem hohlen Baumstamm. Während des Tages flogen sie gemeinsam, und bei Sonnenuntergang begleitete der Spix das Weibchen zu dem Baum und flog dann zu seinem Kaktus.«
    »Manchmal braucht ein Mann einfach seine eigene Bude.«
    Ryan.
    Zwei vertikale Furchen bildeten sich auf Rachels Stirn, aber sie erzählte weiter.
    »1995 ließen Forscher ein Spix-Weibchen im Territorium des Männchens frei und hofften, die beiden würden sich zusammentun und Nachkommen zeugen.«
    »Oh oh. Die sprichwörtliche andere Frau.«
    Rachel ignorierte ihn.
    »Das Spix-Weibchen umwarb das Männchen, und es reagierte.«
    »Scheidungsgericht?«
    »Die drei Vögel flogen etwa einen Monat lang gemeinsam.«
    »Platter Dreier.«
    »Ist er immer so?«, fragte mich Rachel.
    »Ja. Und was ist dann passiert?«
    »Das Spix-Weibchen verschwand, und das seltsame Paar kehrte zu seinem früheren häuslichen Arrangement zurück.«
    Rachel warf Ryan einen schnellen Blick zu, um zu sehen, ob er ihr Bonmot goutierte.
    »War Manne der Schlampige oder der Ordentliche?«, fragte er.
    Rachel erzeugte ein merkwürdiges kicherndes Geräusch in ihrer Nase. Sni. Sni. Sni.
    »Was wurde aus dem Spix-Weibchen?«
    »Hatte einen Zusammenstoß mit einer Stromleitung.«
    »Autsch«, jaulte Ryan.
    »Als Nächstes versuchten es die Forscher mit allen möglichen Manipulationen an den Eiern des Rotrückenweibchens und vertauschten schließlich

Weitere Kostenlose Bücher