Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
weitertransportierten zu Käufern in New York und Washington, D. C. Der Service gab Cobb den Auftrag, den Ring zu infiltrieren. Man dachte, dass eine Frau vielleicht schneller reinkommt.«
»Wie?«
»Das Übliche. Cobb hing an Orten herum, die die Verdächtigen frequentierten. Bars, Restaurants, irgendein Fitnessstudio.«
»Sie wohnte in Charlotte?«
»Hatte eine Wohnung. Auf Monatsbasis.«
»Wie lief es?«
»Keine Ahnung. Cobb war nicht mir unterstellt.« Zamzow schnaubte. »Und die Dame war nicht gerade das, was man gesellig nennen würde. Wenn sie in Raleigh war, blieb Cobb so ziemlich für sich. Schätze, es ist ziemlich hart, in diesem Gewerbe undercover zu sein.«
»Oder eine Frau zu sein.«
»Auch möglich.«
»Verschwanden Cobb und Aiker zur selben Zeit?«
»Aiker erschien eines Montags im Dezember nicht zur Arbeit. Ich erinnere mich noch gut. Es war verdammt kalt. Wir telefonierten zwei Tage lang herum, brachen schließlich in seine Wohnung ein. Keine Spur von ihm.«
Zamzow sah aus, als hätte er zwar seit langem nicht von Aiker gesprochen, würde aber oft an ihn denken.
»Unsere Recherchen ergaben, dass er zum letzten Mal am Freitag davor gesehen worden war. Wir dachten, vielleicht ist er irgendwo ins Eis eingebrochen. Wir suchten die Flüsse ab, zogen Netze durch Teiche und so weiter. Nichts. Weder Aiker noch sein Auto wurden je gefunden.«
»Irgendwelche Hinweise darauf, dass er vorhatte zu verschwinden? Geleerte Konten? Nicht eingelöste Rezepte?«
Zamzow schüttelte den Kopf. »Aiker bestellte noch in der Woche vor seinem Verschwinden übers Internet eine Angelausrüstung im Wert von zweihundert Dollar. Auf einem Sparkonto bei der First Union lagen vierzehn Riesen.«
»Klingt nicht nach einem Mann, der sich aus dem Staub machen will. Was ist mit Cobb?«
»Cobbs Verschwinden war schwieriger festzustellen. Laut den Nachbarn war sie eine Einzelgängerin, hatte einen merkwürdigen Tagesrhythmus, blieb oft tagelang weg. Eine Woche nach Aikers Verschwinden überredeten wir ihren Vermieter, ihre Wohnung zu öffnen. Sah aus, als wäre Cobb schon vor einer ganzen Weile verschwunden.«
Ich überlegte einen Augenblick.
»Waren Aiker und Cobb ein Paar?«
Zamzow runzelte die Stirn. »Es gab Gerüchte. Aiker fuhr mehrmals nach Charlotte, während Cobb hier war. Aufzeichnungen zeigten, dass sie miteinander telefoniert haben, aber das hätte auch beruflich sein können.«
Ich hielt meine Stimme ruhig, um meine Aufregung zu verbergen.
»Das Skelett, das ich untersuchte, ist groß, weiß, männlich. Nach dem, was Sie mir sagen, passt Aikers Alter und der Zeitrahmen. Sieht fast so aus, als könnte es Ihr vermisster Beamter sein.«
»Soweit ich mich erinnere, hat die Polizei in Raleigh sich die Zahnbefunde von Aiker und von Cobb besorgt. Wurden allerdings nie gebraucht.«
Ich wollte so dringend mit Slidell sprechen, dass ich Zamzow am liebsten aus dem Büro gescheucht hätte. Aber zuerst musste ich noch ein anderes Thema ansprechen.
»Kennen Sie einen Beamten namens Palmer Cousins?«, fragte ich.
Zamzow wechselte die Sitzposition.
»Habe ihn mal getroffen.«
Ich wartete darauf, dass er mehr erzählte. Als er es nicht tat, fragte ich: »Ihr Eindruck?«
»Jung.«
»Und?«
»Jung.«
»Ich habe vor kurzem mit Cousins gesprochen und ihn nach Bärenwilderei in den Carolinas gefragt. Er schien ziemlich wenig zu wissen.«
Zamzow sah mir direkt in die Augen. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Er wusste rein gar nichts über den Schmuggel von exotischen Vögeln.«
Zamzow schaute auf seine Uhr, sagte dann:
»Ich persönlich kenne Cousins kaum, aber der Mann hat eine Menge Bewunderer.«
Ich fand diese Bemerkung merkwürdig, ging aber nicht näher darauf ein.
»Viel Glück, Doc.«
Zamzow stand auf.
Ich stand auf.
Als er sich zum Gehen wandte, nahm ich das Foto von Brian Aiker zur Hand. »Darf ich das behalten?«
Zamzow nickte. »Wir sind doch so was wie Kollegen.«
Und damit war er verschwunden.
Ich starrte den Stuhl an, auf dem Zamzow gesessen hatte, und fragte mich, was eben passiert war. Während des Gesprächs war der VAVO sehr freundlich und offen gewesen.
Bei der Erwähnung von Palmer Cousins hatte er dichtgemacht wie ein Gürteltier, das man mit einem Stock anstößt.
Gab Zamzow sich solidarisch, wollte er nicht schlecht über einen Kollegen reden? Wusste er etwas über Katys Freund, das er nicht preisgeben wollte? Oder kannte er den Mann einfach nicht gut genug?
Tim Larabee
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