Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
Besucherparkplatz keine Lücke gefunden hatte, fuhr er auf einen Professorenplatz und stellte den Motor ab.
»Wenn irgendein Eierkopf mir einen Strafzettel anhängen will, dann sag ich ihm, er soll ihn sich an seinen Doktorhut stecken.«
Er schob die Schlüssel in die Tasche.
»Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Doktorhut und einem Klodeckel?«
Ich machte keine Anstalten, zu antworten, doch Slidell sprang ein.
»Es gibt keinen.«
Den Taurus verlassen zu müssen, war brutal. Die Sonne brannte weiß glühend, und der Asphak flirrte, als wir die Pendleton Street überquerten. Die Blätter hingen regungslos an den Zweigen, wie nasse Windeln auf einer Wäscheleine an einem windstillen Tag.
Die Anthropologische Fakultät war in einem spülwasserfarbenen Gebäude namens Hamilton College untergebracht. 1943 als Ansporn für die Kriegsanstrengungen erbaut, sah es jetzt aus, als hätte es selbst etwas Ansporn nötig.
Slidell und ich fanden das Fakultätsbüro und stellten uns der Sekretärin/Empfangsdame vor. Die Frau nahm widerwillig den Blick von ihrem Computermonitor und starrte uns durch eine Dame-Edna-Brille an. Sie war Mitte fünfzig, hatte ein purpurfarbenes Feuermal auf der Stirn und höher toupierte Haare als eine Debütantin aus Texas.
Slidell fragte nach Cagle.
Die Debütantin teilte ihm mit, dass der Professor nicht im Haus sei.
Wann sie ihn das letzte Mal gesehen habe.
Freitag vor einer Woche.
Ob Cagle seitdem auf dem Campus gewesen sei.
Möglich, aber sie habe ihn nicht getroffen. Sein Postfach sei am Freitag geleert worden. Sie habe ihn weder an diesem Tag noch seitdem gesehen.
Slidell fragte, wo sich Cagles Büro befinde.
Im dritten Stock. Ohne schriftliche Genehmigung sei das Betreten verboten.
Slidell fragte, wo sich Cagles Labor befinde.
Im zweiten Stock. Die Debütantin wiederholte ihre Bemerkung über die schriftliche Genehmigung.
Slidell zeigte seine Marke.
Die Debütantin musterte Slidells Stern und Lippenstift kroch in die Fältchen, die von ihren fest zusammengepressten Lippen abstrahlten. Falls sie die Worte »Charlotte-Mecklenburg« bemerkt hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie drehte die Schulter, wählte eine Nummer, wartete, unterbrach die Verbindung, wählte noch einmal, wartete und legte dann auf. Mit einem theatralischen Seufzen stand sie auf, ging zu einem Aktenschrank, zog die oberste Schublade auf, nahm einen von mehreren Dutzend Schlüsseln heraus und las den Anhänger.
Mit einigen Schritten Abstand, um ein Gespräch zu erschweren, führte unsere widerwillige Gastgeberin uns in den zweiten Stock, einen gefliesten Korridor entlang und um eine Ecke herum zu einer Holztür mit einer Milchglasscheibe. Auf der Scheibe stand in fetten, schwarzen Buchstaben: INSTITUT FÜR HUMANIDENTIFIKATION.
»Was genau brauchen Sie denn?« Die Debütantin strich mit dem Daumen über den kleinen, runden Schlüsselanhänger.
»Am letzten Donnerstag versprach mir Dr. Cagle, er würde mir einen Fallbericht und Fotos schicken«, sagte ich. »Ich habe sie nicht erhalten. Ich kann ihn telefonisch nicht erreichen, und es ist ziemlich dringend.«
»Dr. Cagle ist den ganzen Sommer über bei einer Ausgrabung und kommt nur an den Wochenenden hierher. Sind Sie ganz sicher, dass er das sofort tun wollte?«
»Absolut.«
Zwei Falten kräuselten das Feuermal. »Der Mann ist normalerweise sehr berechenbar und verlässlich.«
Die Debütantin machte einen Buckel und beugte sich vor, als würde es die Sicherheitsbestimmungen verletzen, wenn wir sähen, wie sie den Schlüssel drehte. Dann richtete sie sich auf, stieß die Tür auf und deutete mit lackiertem Nagel auf mich.
»Bringen Sie ja nichts von Dr. Cagles Sachen durcheinander.«
Sie sprach den Namen als »Caaigels« aus. »Einige davon sind offizielles Beweismaterial der Polizei.« Bei ihr klang es wie »Poulezei«.
»Wir werden gut aufpassen«, sagte ich.
»Melden Sie sich bei mir, wenn Sie gehen.«
Nachdem sie uns beide mit Blicken durchbohrt hatte, marschierte die Debütantin den Korridor hinunter.
»Im Krieg wäre die in der SS gewesen«, sagte Slidell und ging an mir vorbei durch die offene Tür.
Cagles Labor war eine altmodischere Version des meinen an der UNCC. Die Einrichtung war solider, aus Eiche und Marmor, nicht aus Spritzgussplastik und lackiertem Metall.
Ich schaute mich kurz um.
Arbeitstische. Waschbecken. Mikroskope. Lichtkästen.
Kamerastativ. Abzugshaube. Hängendes Skelett.
Kühlschrank. Computer.
Slidell
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