Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
die Wandschränke. Kommen Sie zu mir, bevor Sie das Gebäude verlassen.«
In den nächsten vierzig Minuten durchsuchten Slidell und ich alle restlichen Schränke, Schubladen und Regale in dem Labor. Wir fanden nichts, was mit dem Lancaster-Fall zu tun hatte, und nichts, was einen Hinweis auf Cagles Verbleib hätte geben können.
Frustriert kehrte ich zum Schreibtisch zurück und schob die Fingerspitzen unter die Plastikeinfassung der Schreibunterlage.
Nichts.
Ich hob eine Ecke an und spähte darunter.
Auf der Tischplatte lag eine Visitenkarte. Ich hob sie auf.
Das Logo erinnerte an eine Polizeimarke. Ich wollte eben den Text auf der Karte lesen, als die multifunktionelle Debütantin noch einmal in der Tür erschien, ganz atemlos, weil sie die Treppe hinaufgerannt war.
»Ich habe eben mit Dr. Cagles Mitbewohner gesprochen.«
Aufgeregt fächelte sie sich Luft zu.
»Dr. Cagle hängt an einer Herz-Lungen-Maschine auf der Intensivstation.«
Sie legte beide Hände an die Brust und schaute mit weit aufgerissenen, von Wimperntusche umrahmten Augen zwischen Slidell und mir hin und her.
»O mein Gott. Die Ärzte glauben, dass er den Tag nicht übersteht.«
25
Cagle wohnte in einem kleinen Klinkerbungalow in einem Viertel aus kleinen Klinkerbungalows nur eine kurze Fahrt vom Hamilton College entfernt. Die Holzverzierungen waren lila, und vier lila Schaukelstühle mit gerader Lehne standen perfekt ausgerichtet auf der breiten Veranda. Der Rasen war gemäht, jede Kante mit militärischer Präzision abgestochen.
Eine uralte Immergrüne Eiche beschattete die rechte Hälfte des Grundstücks, und ihre Wurzeln krochen unter der Erdoberfläche wie riesige, schlangengleiche Finger, die Halt suchten. Polster bunter einjähriger Blumen drängten sich in Beeten am Wegrand und am Fundament der Veranda. Als wir uns dem Haus näherten, süßte der Duft von Petunien, Ringelblumen und frischer Farbe die heiße, feuchte Luft.
Als wir die Stufen hinaufstiegen, deutete Slidell mit dem Daumen auf einen grünen Metallhalter an der Wand. Jemand hatte den Gartenschlauch in exakt gleich großen Schlaufen aufgerollt.
»Ich schätze, hier sind wir richtig.«
Unser Klingeln wurde binnen Sekunden beantwortet. Der Mann war jünger, als ich erwartet hatte, mit schwarzen, gelstarren Haaren, die von einem elastischen Stirnband zusammengehalten wurden. Ich schätzte sein Alter auf Mitte dreißig, sein Gewicht auf etwa siebzig Kilo.
»Sie sind die Beamten aus Charlotte?«
Slidell machte sich nicht die Mühe, ihn zu korrigieren, und hielt stattdessen einfach seine Marke hoch.
»Lawrence Looper.« Looper trat einen Schritt zurück. »Kommen Sie herein.«
Wir betraten eine kleine Diele mit einem verkleideten Heizkörper an der linken Wand, Schiebetüren aus Holz direkt vor uns und einem offenen Durchgang auf der rechten Seite. Looper führte uns durch den Gang in ein Wohnzimmer mit Teppichen auf einem polierten Eichenboden und Möbeln von Pottery Barn. Ein Ventilator mit Holzblättern drehte sich träge an der Decke.
»Bitte.« Looper streckte eine manikürte Hand aus. »Nehmen Sie Platz. Darf ich Ihnen ein kühles Getränk anbieten?«
Slidell und ich lehnten ab und setzten uns an die beiden Enden des Sofas. Das Zimmer roch nach künstlichem Blumenduft aus einem Spender in einer Steckdose.
Looper hob einen Fußschemel auf, stellte ihn an die Wand, betrachtete die Positionierung und stellte den Schemel dann wieder an seinen alten Platz.
Ich hörte, wie Slidell neben mir Luft durch die Lippen blies. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. Er verdrehte die Augen und den Kopf.
Nun, da die Feng-Shui-Harmonie wiederhergestellt war, setzte Looper sich in den Sessel uns gegenüber.
»Puh. Dolores ist wirklich böse auf mich. Und das wohl mit Recht.«
»Sie meinen Miss Südstaatencharme von der Uni.« Slidell.
»Hm. Ich hätte nach Wallys Kollaps anrufen sollen, aber …«
Looper streckte einen Fuß aus, und seine Sandale gab ein leise schmatzendes Geräusch von sich, »… ich habe es nicht getan.«
»Und warum nicht?« Slidells Stimme klang gereizt.
»Ich mag Dolores nicht.«
»Und warum nicht?«
Looper sah Slidell direkt in die Augen. »Sie mag mich nicht.«
Der Fuß wippte mehrmals.
»Und Wally will nicht, dass jemand erfährt, dass es ihm nicht gut geht. Er hat …« Looper zögerte. »… Beschwerden.« Flop. Flop. Flop. »Der Mann behält seinen Gesundheitszustand gerne für sich, deshalb habe ich nicht herausposaunt, dass er krank
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