Mit Haut und Haar (German Edition)
Auffälliges zu sehen.
»Willst du reingehen?«
Clarissa nickte und kramte in ihrer Tasche nach ihrem Hausschlüssel. Als sie ihn gefunden hatte, hielt sie kurz inne.
»Hör zu«, sagte sie. »Ich gehe da erst mal alleine rein.«
»Nein«, sagte Patrizia, und sie schüttelte energisch den Kopf.
»Doch, Patrizia«, sagte Clarissa. »Ich gehe alleine rein. Wenn ich in zehn Minuten nicht wieder hier bin, kannst du nachkommen.«
»Und wie soll ich reinkommen?« fragte Patrizia.
»Ich lasse die Haustür einen Spalt offen. Wenn alles in Ordnung ist, komme ich kurz raus und sag dir Bescheid und wir treffen uns dann später irgendwo. Okay?«
»Nur unter Protest.«
»Ich weiß.«
Clarissa stieg aus dem Auto. Patrizia sah ihr nachdenklich nach, als sie die Haustür aufschloss.
Instinktiv hatte Clarissa die Tür sehr leise aufgeschlossen. Schon als sie auf die Haustür zugelaufen war, hatte sie ein fürchterliches Gefühl im Magen verspürt. Es stimmte etwas nicht. Ganz deutlich. Irgendetwas wirkte bedrohlich, obwohl von außen das Haus, die Treppe, die Tür – es sah alles aus wie immer.
Clarissa musste sich beherrschen, nicht aufzuschreien, als sie den Hausflur betreten hatte. Ihr Blick fiel auf die Küche, in der es nicht nur bestialisch nach Müll und vergammelten Essensresten stank, sondern sämtliches Geschirr schien ausgeräumt und türmte sich dreckig auf der Spüle, auf den Schränken und auf dem Tisch in der Essecke. In einer Wäschewanne auf dem Boden lag jede Menge Fleisch, wahrscheinlich aus ihrer Gefriertruhe. Es stank entsetzlich nach vergammeltem Fleisch und Clarissa wurde übel. Leise tapste sie ins Wohnzimmer und auch hier entfuhr ihr fast ein entsetzter Aufschrei. Sie presste ihre Hand auf den Mund und zwang sich, noch einmal hinzusehen. Die Schranktüren und Schubladen standen offen. Sämtliche Fotoalben waren aus den Schränken gezerrt worden und lagen verstreut auf dem Boden, teilweise aufgeschlagen. Sie ging näher und ihr Blick fiel in einem der aufgeschlagenen Alben auf ein Foto von ihr und Daniel, es war ein paar Jahre alt und zeigte sie gemeinsam im Urlaub am Strand. Daniel war auf dem Foto noch gut zu sehen, aber ihr Bild daneben war mit Kugelschreiber bemalt worden. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick sah sie, es war nicht bemalt. Es war durchgestrichen, so heftig und so oft, dass das Foto an dieser Stelle einen Riss hatte.
Clarissa lief ein Stück weiter ins Esszimmer, das hinter dem Wohnzimmer lag und das nur selten von der Familie benutzt wurde. Ihr gutes Geschirr, das sie im Geschirrschrank dort aufbewahrte, lag zerschlagen auf dem Boden. Ihr liefen Tränen über das Gesicht. Dieses Geschirr stammte von ihren Eltern. Sie hatte nicht viele materielle Dinge von ihren Eltern behalten, nur dieses Geschirr und ein paar kleine Andenken, aber all dies lag ihr sehr am Herzen. Vielmehr, es hatte ihr sehr am Herzen gelegen.
Leise und mit einem starken Angstgefühl im Bauch schlich sie die Treppe nach oben, und auf halbem Weg hörte sie Stimmengemurmel. Es kam aus dem Schlafzimmer. Sie erreichte den Absatz der Treppe und warf zunächst einen Blick in Damians Zimmer, das gleich das erste Zimmer im ersten Stock war. Hier war alles in Ordnung, hier war nichts zerstört oder durcheinander gebracht worden. Sie wollte sich gerade umdrehen, als sie einen dumpfen Schlag auf dem Hinterkopf fühlte – und bevor sie aufschreien konnte, traf sie der nächste Schlag. Clarissa fiel der Länge nach auf den Boden, aber den Aufprall spürte sie nicht mehr. Die Bewusstlosigkeit war schon mit dem zweiten Schlag eingetreten, der sie getroffen hatte.
-40-
Patrizia war in der Regel eine Frau, die sich an Vereinbarungen hielt, aber nicht in diesem Fall. Clarissa war keine drei Minuten hinter der Haustür verschwunden, da stieg sie leise aus dem Auto, umklammerte die Walther-Pistole die sie in der Handtasche mit sich führte und von der Clarissa natürlich nichts wusste und schlich leise zur Haustür hinein. Sie hatte ein sehr schlechtes Gefühl bei der Sache gehabt, als Clarissa hinter der Tür verschwunden war und als sie das Haus betrat, wusste sie, dass sie richtig gehandelt hatte. Instinktiv spürte sie, dass es wichtig war, sich äußerst leise zu bewegen.
Irgendwie ahnte sie auch, dass sie sich weder mit dem Wohnzimmer, noch mit der Küche aufhalten musste und schlich leise nach oben. Schon auf der Treppe hörte sie ein Schimpfen und Fluchen.
Es war eine Frauenstimme, aber es war nicht die von
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