Mit Haut und Haar (German Edition)
ihr zusammen erwischt. Wie soll ich das jemals vergessen, Daniel?«
Er weinte plötzlich. Lautlos. Aber sie spürte, wie heiße Tränen in ihren Schoß tropften, ihren Rock durchnässten.
»Mein Gott, was habe ich getan«, sagte er nach einigen Minuten tonlos. Sie schob ihn beiseite.
»Etwas Schreckliches, Daniel«, sagte sie, und sie griff nach ihrem leichten Sommermantel, den sie vorher ausgezogen und über die Lehne des Sessels geworfen hatte, und zog ihn über. »Etwas, was ich dir niemals verzeihen kann. Etwas, womit du fünfzehn Jahre meines Lebens wie einen schlechten Scherz dastehen lässt. Etwas, womit du mein Leben zerstört hast. Und das der Kinder.« Dann griff sie nach ihrer Handtasche.
»Wo gehst du jetzt hin?«
»Wie gesagt, ich nehme den nächsten Zug nach Hause.«
»Bleib doch bitte hier.«
Sie zog die Stirn in Falten. »Hier?« fragte sie, und deutete auf das zerwühlte Bett. »Hier soll ich bleiben? In dem Bett schlafen, wo du vor einer halben Stunde noch dein Betthäschen gevögelt hast? Ein Bett, das noch nach eurem Sex und ihrem Parfüm riecht? Nein danke.«
Sie trat aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Daniel lief ihr nach, aber sie war schneller und er schlug wütend auf die Aufzugtür, die sich hinter ihr geschlossen hatte. Als der Aufzug unten ankam, hetzte er gerade atemlos über die Treppe ins Foyer. Der Portier beobachtete leicht besorgt und mit gerunzelter Stirn die Szene, die sich abspielte.
»Lass mich in Frieden«, sagte Clarissa und sie schlug Daniels Arm beiseite. Schließlich raste sie durch die große Doppeltür des Hotels und stieg in eines der Taxis, die vor dem Eingang ihren Stand hatten. Daniel sah ihr nach, das konnte sie noch aus den Augenwinkeln erkennen.
»Zum Bahnhof«, sagte sie.
Am Bahnhof musste sie geschlagene drei Stunden warten, bis der nächste Zug nach Frankfurt fuhr, aber das war ihr egal. Wartehalle im Bahnhof oder Zugabteil, was spielte das schon für eine Rolle? Ihr Leben, das sie bis vor zwei Wochen noch für friedlich und harmonisch gehalten hatte, ein gutes Leben ohne Höhen und Tiefen, war am Nullpunkt angekommen. Noch vor einigen Wochen war sie lächelnd durch ihr Leben marschiert mit einem Gefühl der tiefen, inneren Zufriedenheit und des Glücks, mit einem Gefühl, als würde sie den Gral in den Händen halten. Jetzt war alles zerbrochen. Ein einziger Scherbenhaufen.
Erschöpft, aber hellwach traf sie am nächsten Morgen gegen elf Uhr am Frankfurter Bahnhof ein und bereits eine halbe Stunde später war sie zu Hause. Gerne hätte sie geschlafen, sie fühlte sich müde und zerschlagen als sie die Haustür aufschloss, aber sie hätte die nötige Ruhe nicht gehabt. Schließlich erinnerte sie sich an das Valium im Medizinschränkchen. Der Arzt hatte es ihr vor einigen Jahren verschrieben, als ihre Mutter gestorben war. Clarissa suchte auf der Packung nach dem Haltbarkeitsdatum. Die Tabletten waren erst vor Kurzem abgelaufen. Sie zuckte mit den Schultern, schluckte ein Valium und lief zielsicher zum Barschrank um sich einen Cognac zu holen. Aus dem einen wurde ein zweiter und schließlich fühlte sie sich schwindelig und so müde, dass die Welt neben ihr hätte untergehen können – Clarissa fühlte sich so erschöpft, dass sie einfach nur noch schlafen wollte. Allen Kummer vergessen und sich wenigstens für ein paar Stunden nicht mehr so schwer verletzt fühlen.
-3-
Als sie spät am Abend wach wurde, saß Daniel neben ihr am Bett. Sein Gesicht wirkte besorgt.
»Die Kinder!« rief sie erschrocken und fuhr hoch, als sie sah dass es draußen schon dunkel war.
»Sie haben angerufen und nach dir gefragt. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen bitte noch eine weitere Nacht bei ihren Freunden bleiben, weil wir wichtige Dinge zu besprechen haben.«
Clarissa richtete sich auf, zog die Bettdecke bis unters Kinn und schlang die Arme um ihre Knie.
»Clarissa, ich weiß, alles was ich jetzt sagen könnte klingt wie irgendein Schwachsinn, den du schon hundertmal in Romanen gelesen oder in Filmen gesehen hast. Es tut mir schrecklich leid. Ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht und dich damit furchtbar verletzt, das kann ich nie wieder gut machen. Aber ich würde es gerne versuchen. Wenn du möchtest, ziehe ich aus, dann gehen wir erst mal auf Distanz. Finanziell musst du dir keine Sorgen machen. Vielleicht kriegen wir es wieder hin, wenn ich dich eine Weile in Ruhe lasse. Ich habe Mist gebaut, Clarissa, ganz großen Mist. Aber ich
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