Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
bisschen mehr Zeit hätte Lucy das Kleid ganz neu genäht. Aber ihr blieben bloß noch vier Tage, und zwei Outfits musste sie noch den letzten Schliff verpassen. Doreen arbeitete ebenfalls schon auf Hochtouren, mehr konnte Lucy nicht von ihr verlangen.
»Ich finde es so cool, dass du das machst, Lucy«, zirpte Libet. »Ich meine, du bist eine Künstlerin. Genau wie ich, weißt du?« Lucy musste an Libets vergammeltes Obst denken und lächelte höflich. »Ich stehe zweihundertprozentig hinter dir. Auf der Highschool hatte ich auch eine Freundin, die ziemlich arm war, und die war, also, echt so toll.«
»Denk dran, du darfst niemandem einen Mucks davon erzählen«, ermahnte Lucy sie, die noch immer mit den Stecknadeln kämpfte. »Libet, ich muss dich um einen Gefallen bitten. Und bitte, versteh mich jetzt nicht falsch.«
»Was immer du willst, Süße.«
»Könntest du vielleicht… diese Woche ein paar Cheeseburger essen? Ein paar Schachteln Häagen-Dazs? Die Sache ist nämlich die, das Kleid würde perfekt sitzen, wenn du gut zwei Kilo mehr auf den Rippen hättest. Sonst würde das für mich mehrere Stunden Arbeit bedeuten, und ich habe bis Samstag keine einzige Minute mehr Zeit.«
Zuerst starrte Libet sie völlig entgeistert an. Doch dann schien sie das Opfer, das sie gebeten war zu bringen, anzunehmen, denn sie nickte ernst. » Ich tu’s« , verkündete sie feierlich. »Für dich, Lucy, nehme ich zwei Kilo zu.«
»Wow, Wahnsinn. Vielen lieben Dank.«
»Du hast gesagt, das Kleid darf ich behalten, ja?« Libet legte den Kopf schief. »Hörst du auch die Musik da draußen?«
»Ach, das. Das ist bloß ein Knabenchor, der vor dem Fenster singt.«
»Was?« Libet stürzte hin, um sich das mit eigenen Augen anzusehen. »Da unten stehen zwei Dutzend kleine Jungs auf dem Bürgersteig!«
»Wyatt und ich haben sie letzten Monat bei einer Benefizveranstaltung singen gehört, und ich habe gesagt, wie schön ich das fand …«
»Also hat er sie hergeschickt, damit sie dir ein Ständchen singen? Du lieber Himmel! Das ist ja so romantisch!«
Lucy schüttelte bloß den Kopf. »Durch übertriebene Zuneigungsbekundungen wird das, was er getan hat, auch nicht besser. Außerdem habe ich keine Zeit für ein Konzert, ob nun für mich höchstpersönlich oder sonst was. Diese Woche habe ich nicht mal Zeit zu schlafen.«
»Du bist eine harte Nuss«, bemerkte Libet mit bewunderndem Unterton. »Ich würde so was von dahinschmelzen. Ich habe gehört, Wyatt soll total am Ende sein. Mimi hat gesagt, Jack hat gesagt, er hängt die ganze Zeit im Racquet Club rum und jammert allen die Ohren voll.«
»Armes Häschen«, brummte Lucy und steckte die letzte Nadel fest. Aber so ungern sie das auch zugab, mit jedem Tag fiel es ihr schwerer, nicht an Wyatt zu denken. Sie löschte seine Nachrichten, ohne sie abzuhören, aus Angst davor, beim Klang seiner Stimme weich zu werden. Sie musste stark bleiben – er durfte sie unter keinen Umständen von dem ablenken, was wirklich wichtig war, und sie wusste nicht, ob sie ihm jemals wieder vertrauen konnte.
Während Libet wieder in ihre eigenen Klamotten stieg, durchforstete Lucy die Küchenschränke nach einem kleinen Präsent für sie, und wurde fündig: ein Riesenglas Nutella. Vier Tage, noch zwei Outfits.
»Bitte«, flehte Wyatt und lief hinter Rita her wie ein Hündchen, als sie zur U-Bahn-Haltestelle eilte. »Ich muss mit ihr reden, nur ganz kurz, nur eine Minute. Könnten Sie sie nicht überreden, mir nur eine Minute zuzuhören?«
Rita blieb oben an der Treppe stehen, offensichtlich empört, und schaute ihn verächtlich an. »Womöglich könnte ich das, aber ich will es nicht. Und lassen Sie sich eins gesagt sein: Ich habe Ihren kleinen Brief bekommen mit dem Angebot, Ritas Acrylnagel-Design zu ›unterstützen‹. Eine Frechheit, Mister. Als wäre ich bestechlich und würde meine einzige Tochter gegen Schmiergeldzahlungen verkaufen!«
Wyatt stöhnte gequält. Er hatte schon vorher gewusst, dass das keine gute Idee war, aber so langsam gingen ihm die guten Ideen aus. »Tut mir leid, Rita, ich bin bloß – völlig verzweifelt .« Wyatt konnte kaum fassen, dass er so was sagte, aber es stimmte.
»Was regen Sie sich eigentlich so auf? Ein Kerl wie sie müsste doch an jedem Finger zehn Frauen haben.«
»Aber keine wie Lucy.«
Das schien Ritas Herz ein wenig zu erweichen, wohl auch, weil sie merkte, wie er sich quälte. »Na ja, lassen Sie ihr einfach ein bisschen Zeit. Vielleicht
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