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Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schoening
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Rückweg von der Klinik hatte sie sich so niedergedrückt gefühlt wie schon lange nicht mehr.
    Und auch jetzt, als sie mit einem Glas Wein auf der Couch saß, wollte es ihr nicht gelingen, ihren Feierabend zu genießen. Ihre Gedanken rasten, und sie war so ruhelos, dass sie Mühe hatte, still zu sitzen.
    Alexandra schaltete den Fernseher ab. Sie konnte sich ohnehin nicht auf das Programm konzentrieren, und die erhoffte Ablenkung hatte es auch nicht gebracht. Ihr Blick verlor sich in der dunkelroten Flüssigkeit in ihrem Glas.
    Schon als Kind hatte sie Ärztin werden wollen. Sie hatte die gesamte Schulzeit auf dieses Ziel hingearbeitet, genauso wie ihre Mutter es ihr vorgemacht hatte. Ihre Karriere war ihr immer das Wichtigste gewesen. Irgendwann wollte sie Chefärztin sein und eine anerkannte Wissenschaftlerin. An dieses Ziel war sie nun schon sehr dicht herangekommen, und wäre sie erst einmal Leitende Oberärztin, wäre es fast zum Greifen nahe.
    Allerdings würde es bedeuten, dass sie die Beziehung zu Linda beenden müsste.
    Aber vielleicht wäre das sogar besser. Wieder starrte Alexandra prüfend in ihr Glas: Linda hatte sich heute so zurückhaltend gezeigt – vielleicht hatte sie bereits das Interesse an Alexandra verloren, die Hoffnung aufgegeben. Bisher hatte es ohnehin keine Frau ernst mit ihr gemeint. Jede hatte irgendeinen Hintergedanken gehabt. Allen voran Melanie.
    Alexandra nahm einen großen Schluck Rotwein.
    Wenn sie ihre Karriere nicht beenden wollte, ehe sie richtig begonnen hatte, musste sie auf Melanies Erpressung eingehen. Sie musste ihre Liebe zu Linda opfern.
    Alexandra erschrak. Liebe . . . Liebe?
    War es tatsächlich Liebe? Ein gewaltiges Wort. Sie konnte sich nicht erinnern, es in ihrem Leben schon einmal benutzt zu haben.
    Bilder von Linda bei ihrem gemeinsamen Kongressbesuch erschienen vor ihrem inneren Auge, von ihrem ersten Kuss, von den vielen gemeinsamen Operationen, vom Bogenschießen. Lindas bezauberndes Lächeln. Linda, wie sie sich eine Strähne ihrer blonden Haare hinters Ohr strich, eine so liebenswerte, einzigartige Geste.
    Ein Kribbeln breitete sich in Alexandras Bauch aus, das nicht vom Wein herrühren konnte. Ihr Herz schlug schneller. Ohne dass es ihr bewusst war, lächelte sie.
    Mit Linda fühlte sie sich vollkommen, als hätte sie das fehlende Puzzleteil gefunden – nach dem sie eigentlich gar nicht gesucht hatte, sie hatte die Lücke einfach immer ignoriert. Aber jetzt, da sie es gefunden hatte, wollte sie nicht mehr darauf verzichten. Endlich war das Bild vollständig, endlich ergab ihr Leben einen Sinn.
    Alexandra konnte sich nicht erinnern, sich jemals so leicht und unbeschwert gefühlt zu haben wie in den Momenten, in denen sie mit Linda zusammen war.
    Ja, tatsächlich, sie war glücklich. Zum allerersten Mal vielleicht seit ihrer Kindheit. In diesem Ausmaß hatte das die Arbeit nie geschafft, auch wenn Alexandra sich das immer erfolgreich eingeredet hatte. Sie war zufrieden gewesen, aber nicht glücklich. Einen liebenden Menschen hatten auch ihre erfüllende Arbeit und ihr rasanter beruflicher Aufstieg nicht ersetzen können.
    Das durfte sie nicht wieder verlieren. Um keinen Preis.
    Sie liebte Linda.
    Es war ganz einfach.
~*~*~*~
    » H ast du eine Sekunde?« Linda fing Alexandras fragenden Blick auf. Bisher war die Oberarztvisite deutlich schweigsamer verlaufen als sonst. Auch zwischen den Zimmern waren ihre üblichen Neckereien ausgeblieben. Zwar hatte Linda durchaus registriert, dass Alexandra ihren Blick und auch den Köperkontakt zu ihr gesucht hatte, aber sie war immer ausgewichen.
    Nach dem Abend auf der Couch, den sie zum Nachdenken hatte nutzen wollen, schien es ihr immer wahrscheinlicher, dass Alexandra tatsächlich noch mit Melanie schlief. Die vielen Situationen, in denen Alexandra Melanie zu sich gebeten hatte oder Melanie eilig aus Alexandras Büro gekommen war, waren wie ein Film vor ihrem inneren Auge abgelaufen. Damals hatte sie sich nichts dabei gedacht, aber im Nachhinein ergab alles Sinn: dass Alexandra anschließend häufig nicht bei der Sache gewesen war und sich Linda gegenüber abweisend verhalten hatte. Kein Wunder, wenn sie gerade noch mit einer anderen Frau . . .
    »Bekomme ich noch eine Antwort?« Alexandras Frage riss Linda abrupt in die Gegenwart zurück.
    »Entschuldige, ich habe nicht zugehört«, gab Linda zu.
    Alexandra lächelte. »Das habe ich gemerkt.« Sie legte Linda eine Hand auf die Schulter.
    Gegen das Prickeln in

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