Mit Herz und Skalpell
diese wunderschönen Fotos von uns beiden kennen.« Aus dem Augenwinkel konnte Alexandra sehen, wie Melanie mit dem Umschlag in der Luft herumwedelte. »Ich persönlich mag ja das Foto, auf dem du nackt auf mir draufliegst, besonders gern. Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Professor Rosenbusch einen ähnlichen Geschmack hat.« Sie machte einen Kussmund in Alexandras Richtung.
Aber Alexandra nahm sie nur noch schemenhaft wahr. Sie sah nur das unaufhaltsame Auseinanderbrechen ihrer gesamten Daseinsgrundlage, all dessen, wofür sie jahrelang gelebt und gearbeitet hatte. Alles wegen eines einzigen Fehlers. Alles, weil sie sich von Melanie um den Finger hatte wickeln lassen, erst zu spät erkannt hatte, dass Melanie nur ihre eigenen Interessen verfolgte. So etwas, das hatte sie sich geschworen, würde ihr nie wieder passieren. Doch jetzt hatte ihre Vergangenheit sie endgültig eingeholt.
Alexandra wurde schlecht. Ihr war vage bewusst, dass sie schwankte.
»Du bist ja ganz blass.« Melanie stand plötzlich neben ihr. »Möchtest du ein Glas Wasser?«
Diese geheuchelte Freundlichkeit, dieser verlogene Augenaufschlag. Alexandras Kiefermuskeln verhärteten sich, ihre Zähne pressten sich aufeinander. Aber die hilflose Wut brach sich trotzdem Bahn. »Du . . .« Unsanft schubste sie Melanie zur Seite. »Du verfluchte, hinterhältige Hexe.«
Dann versteckte sie ihr Gesicht hinter den Händen. Natürlich würde sie mit solchen Reaktionen nichts erreichen. Im Gegenteil, Melanie würde sich nur daran weiden.
In der Tat blieb Melanie völlig gelassen. »Und noch etwas«, sagte sie ruhig. »Es wird nicht nur jeder erfahren, dass du eine Lesbe bist und es mit mir getrieben hast. Auch wenn das allein schon reichen würde, damit unser lieber, konservativer Chef einen Herzinfarkt bekommt und du deine heißgeliebte Karriere an den Nagel hängen kannst.« Sie klopfte Alexandra auf den Rücken. »Es wird auch jeder erfahren, dass du dich jetzt mit der kleinen Willer vergnügst. Das wird einige brennend interessieren.«
Hinter Alexandras Schläfen begann es schmerzhaft zu pochen. Melanie durfte Linda da nicht mit hineinziehen. Das ging zu weit. Dies hier war eine Sache zwischen Melanie und ihr, die sonst niemanden etwas anging. »Lass Linda aus dem Spiel«, sagte sie leise.
Melanie verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist ganz allein deine Entscheidung. Lass Jochen den Vortritt und trenn dich von dieser Linda, oder jeder wird davon erfahren. Und du kannst schon mal einen Grabstein für deine berufliche Laufbahn ordern. Affären mit untergeordneten Mitarbeiterinnen.« Sie zog eine angewiderte Grimasse. »Das wird den alten Herren in den Chefetagen Deutschlands so gar nicht gefallen.«
Das Pochen wurde immer schlimmer. Aber eines wusste Alexandra plötzlich mit absoluter Sicherheit: Sie würde sich nicht von Linda trennen. Es hatte doch gerade erst richtig angefangen. Um nichts in der Welt würde sie das aufgeben, und schon gar nicht für Melanie.
»Verschwinde aus meinem Büro«, herrschte sie Melanie an. »Ich will dich hier nie wieder sehen.« Mit aller Kraft fasste sie Melanie an den Schultern und drängte sie Richtung Tür.
Melanie leistete keinen Widerstand, aber im Türrahmen blieb sie noch einmal stehen. »Du hast zwei Tage Zeit, dir zu überlegen, was du willst«, sagte sie leise. »Du weißt, der Zeitpunkt der Entscheidung rückt näher.«
»Ich lass mich nicht erpressen.« Alexandra zog die Augenbrauen zusammen.
»Weißt du, wie schön du bist, wenn du wütend bist?« Melanie lächelte. Sie streckte ihre Hand nach Alexandra aus und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. »Für dich würde ich auch meine Kooperation mit Jochen beenden. Der guten alten Zeiten wegen. Denk dran, mein allererstes Angebot gilt noch: Sorge dafür, dass ich nach deiner Beförderung wieder in die Viszeralchirurgie komme, dann werde ich dich statt Jochen unterstützen.« Sie legte den Kopf schief und lächelte wieder. »Aber die Beziehung zu Linda beendest du natürlich trotzdem.«
»Raus«, sagte Alexandra bedrohlich leise. »Verschwinde.« Sie bebte vor Zorn, als sie die Tür hinter Melanie zuschlug. Der Knall hallte laut durch den Flur.
Das konnte alles nicht wahr sein.
Sie lehnte sich an die geschlossene Tür und rutschte langsam zu Boden. Noch am Morgen hätte die Welt nicht perfekter sein können. Sie schien alles gefunden und erreicht zu haben, wonach sie ihr Leben lang gesucht hatte. Und nun kam Melanie
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