Mit Herz und Skalpell
die Stimme und zugleich auch den Blick, so als kosteten diese Worte sie große Überwindung. Daran glaubte Linda jedoch keine Sekunde. »Du weißt schon, wenn sie Lust hat. Sie kann sehr fordernd sein.«
»Niemals«, fuhr Linda dazwischen. »Du lügst.« Sie sprang auf und wollte Melanie zur Seite stoßen.
Doch Melanie war stärker. Ihr Blick bohrte sich in Lindas. »Warum sollte ich? Sie spielt mit uns beiden, versteh das doch.«
Überzeugend war sie, das war nicht zu leugnen. Und plötzlich erinnerte sich Linda an all die Male, die sie Melanie aus Alexandras Büro hatte kommen sehen. Jedes Mal hatte Alexandra sich anschließend ihr gegenüber seltsam distanziert verhalten. Weil sie vorher mit Melanie . . .?
Nein. Das würde Alexandra niemals tun. Nicht mit Melanie. Und auch mit niemand anderem.
»Ich habe dich oft genug vor ihr gewarnt«, fuhr Melanie fort, »aber du wolltest ja nicht hören. Ich rate dir noch ein letztes Mal, pass auf dich auf. Sie sitzt am längeren Hebel.« Damit verließ sie die Umkleide, und Linda blieb allein zurück.
Kraftlos ließ sie sich gegen ihren Spind sinken. Ihr war übel.
Was, wenn an Melanies Worten doch etwas dran war? Gerüchte, dass Alexandra Affären im Krankenhaus gehabt hatte, waren ihr schließlich zur Genüge zu Ohren gekommen. Hatte sie tatsächlich auch mit Melanie . . .? Allein der Gedanke daran widerte Linda an.
Aber einiges an Melanies Darstellung ergab durchaus Sinn. Alexandra verhielt sich Melanie gegenüber immer sehr abweisend, und trotzdem war Melanie ständig bei ihr. Und tatsächlich hatte Linda mehrfach mitbekommen, wie die Initiative von Alexandra ausgegangen war, wie sie Melanie gebeten hatte, etwas mit ihr zu »besprechen«.
Wenn Alexandra und sie eine Zukunft haben wollten, musste Linda wissen, was dahintersteckte.
~*~*~*~
» R ate mal, wen ich gerade in der Umkleide getroffen habe?« Melanie ließ sich ungefragt auf einen Stuhl in Alexandras Büro fallen. »Deine kleine Linda. Wirklich niedlich. Und so unschuldig.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Vielleicht sollte ich mal . . .«
»Halt den Mund«, schnitt Alexandra ihr das Wort ab. »Sie ist nicht meine Linda, das habe ich dir schon oft genug gesagt. Du machst auch vor nichts und niemandem Halt.«
Melanie hielt ihrem Blick stand. »Du warst eine gute Lehrerin. Und wer es glaubt, wird selig. Den anderen kannst du vielleicht etwas vormachen, aber mir nicht.«
Innerlich verfluchte sich Alexandra. Sie hätte besser aufpassen müssen. Es war klar, dass Melanie Linda im Visier haben würde, sobald sie es herausfand. Auch wenn es ihrerseits bis jetzt nicht mehr als Vermutungen sein konnten – aber Melanie war verdammt gut darin, mit Halbwissen zu punkten.
Auf keinen Fall durfte sich Alexandra ihre Unsicherheit anmerken lassen. »Was willst du denn nun schon wieder?«, fragte sie mit harter Stimme und lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück. »Ich dachte, wir hätten alles geklärt.«
»Richtig. Und deswegen wollte ich dich auch auf dem Laufenden halten.«
Am liebsten hätte Alexandra Melanie das Grinsen aus dem Gesicht geschüttelt, aber natürlich würden Handgreiflichkeiten das Problem nicht lösen. »Also, was gibt es? Und fass dich kurz, ich habe nicht ewig Zeit.« Es fiel ihr zunehmend schwer, Ruhe zu bewahren.
»Die solltest du dir aber nehmen, um mir zuzuhören«, verkündete Melanie. »Jochen hat sich sehr über mein Angebot gefreut. Er arbeitet gern mit mir zusammen.«
Sie hatte ihre Drohung also wirklich in die Tat umgesetzt.
»Gemeinsam werden wir verhindern, dass du Leitende Oberärztin wirst.« Melanies Augen verengten sich.
Alexandra verschränkte ihre Hände ineinander. »Ach ja? Und wie genau wollt ihr das machen?«
Melanie lachte. »Kannst du dir das nicht denken?« Sie zog einen Umschlag aus ihrer Kitteltasche. Er war verschlossen, aber Alexandra wusste auch so, was sich darin befand.
Wie ferngesteuert stand sie auf und lief zum Fenster. »Das ist nicht dein Ernst«, murmelte sie und starrte in die Ferne. Vor ihrem inneren Auge bröckelte ihr Lebenstraum ganz langsam auseinander, löste sich mit quälender Unvermeidlichkeit in Luft auf.
»Lass Jochen freiwillig den Vortritt, dann wird niemand etwas davon erfahren.« An Melanies Tonfall war unschwer zu erkennen, wie sehr sie ihren Triumph genoss.
Alexandra ballte ihre Hände zu Fäusten, ohne sich zu ihr umzudrehen. »Niemals.«
»Gut, dann wird in ein paar Tagen das ganze Krankenhaus
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