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Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schoening
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und wollte das alles zerstören – und sie würde es zerstören. Wie Alexandra es auch drehte und wendete, es schien keinen Ausweg zu geben.
    Ihr Kopf schmerzte unerträglich. Sie umklammerte ihre Knie und legte die Stirn dagegen.
    Wie sollte sie sich entscheiden? Was sollte sie tun?
    Sie hatte immer alles im Griff gehabt, bis sie angefangen hatte, ihr Herz zu öffnen. Zuerst für Melanie und jetzt für Linda. Sie hätte es besser wissen müssen. Zumindest damals.
    Aber dieses Mal, mit Linda . . .
    Das Hämmern in Alexandras Kopf ließ nach. Ein angenehmer, warmer Strom durchfloss sie, der ihren Körper ein wenig entkrampfte. Linda.
    Mit Linda war es anders. Linda bedeutete ihr etwas.
    Es gab nur eine Möglichkeit, zu einer Entscheidung zu kommen: Sie musste mit Linda reden.
~*~*~*~
    L inda konnte sich nicht auf die Stationsarbeit konzentrieren. Schon zum dritten Mal versuchte sie einem jungen Mann Blut abzunehmen, obwohl die Venen nicht zu übersehen waren und wahrscheinlich jeder Praktikant diese Aufgabe besser erledigt hätte. Unentwegt musste sie an Melanie denken, an das, was sie ihr erzählt hatte.
    Nach ihrem Gespräch über Lindas Vater hatte Linda eigentlich alle Zweifel an Alexandras Aufrichtigkeit für ausgeräumt gehalten. Aber jetzt? Dem Thema Melanie war Alexandra schließlich auch immer ausgewichen, bis dorthin erstreckte sich ihre Aufrichtigkeit bislang nicht. Welches Spiel spielte Alexandra? Und vor allem – mit wem? Wie viele Melanies gab es noch? War doch etwas an den ganzen Gerüchten dran, und Alexandra hatte an jedem Finger mindestens zwei Frauen? Und versicherte jeder, sie sei die Einzige?
    Endlich hatte Linda Erfolg mit der Blutabnahme. Sie entschuldigte sich bei dem Patienten, dass sie so viele Anläufe gebraucht hatte, dann zog sie sich in ihr Arztzimmer zurück. Glücklicherweise war ihr Kollege Andreas gerade nicht da; es tat gut, ein paar Minuten allein zu sein. Sie legte eine Kassette in das Diktiergerät und schlug die Akte auf. Als sie gerade anfangen wollte, den Entlassungsbericht zu diktieren, klingelte ihr Telefon.
    Ausgerechnet Alexandra. In diesem Moment wünschte Linda sich, dass sie nicht zusammenarbeiteten und Alexandra nicht ihre Oberärztin wäre, denn dann hätte sie den Anruf einfach wegdrücken können. Sie wollte nicht mit Alexandra reden. Jetzt nicht.
    Aber da es sich um ein berufliches Anliegen handeln konnte, hatte sie keine Wahl. »Ja?«, meldete sie sich knapp.
    »Hallo. Ich wollte fragen, ob es noch irgendetwas gibt.« Alexandra klang müde.
    »Hier ist alles in Ordnung«, sagte Linda. Ihre Finger spielten mit dem Diktiergerät.
    »Sehen wir uns heute Abend?«
    Sonst hätte sich Linda unbändig über diese Frage gefreut. Aber heute nicht. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken – und das ging nur, wenn sie sich von Alexandra distanzierte, zumindest vorübergehend. Sie holte Luft. »Heute ist schlecht.«
    »Ich muss dringend mit dir reden.« Alexandras Stimme bekam einen flehenden Unterton. »Ginge es nicht vielleicht doch?«
    Linda schluckte. »Nein, wirklich nicht. Ich brauche einen Abend für mich.« Es zog in ihrer Brust, und das Atmen kostete sie plötzlich Mühe. »Außerdem muss ich etwas Schlaf nachholen. Davon habe ich in den letzten Tagen nicht allzu viel bekommen«, versuchte sie ihre Absage humorvoll zu verpacken, obwohl ihr der Sinn eigentlich überhaupt nicht nach Scherzen stand.
    Alexandra offensichtlich auch nicht, denn sie lachte kein bisschen. Stattdessen hörte sie sich enttäuscht an, als sie sagte: »Verstehe. Dann vielleicht morgen? Es ist wirklich wichtig.«
    »Ich überlege es mir. Vielleicht.« Lindas Augen brannten. Aber sie wollte nicht weinen. Es war die richtige Entscheidung, jedenfalls bis sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
    »Okay. Meld dich bitte.«
    »Ja, mach ich. Schönen Feierabend.« Linda legte auf. Sie fühlte sich miserabel. Alexandra war traurig, und es war ihre Schuld . . . Wie gern hätte sie sich einfach in Alexandras Arme geflüchtet, alles vergessen, die Welt ausgesperrt. Wenn da nur nicht diese schrecklichen, bohrenden Zweifel wären.
    Auf dem Heimweg würde sie sich eine Flasche Wein und eine Tiefkühlpizza besorgen. Vielleicht konnte das den Abend wenigstens ein bisschen retten. Und vielleicht war sie dann morgen in der Lage, Alexandra gegenüberzutreten.
~*~*~*~
    D ass Linda sie an diesem Abend nicht sehen wollte, hatte Alexandra härter getroffen, als sie sich eingestehen mochte. Schon auf dem

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