Mit Jockl nach Santiago
die Sonne bildet sich der schwache Spektralfarbkreis eines Halos, untrügliches Zeichen für einen Wetterumschwung. Die unerträglich drückende Hitze komprimiert die Luft zu einem regelrechten Kerker, dem wir die nächsten Stunden unmöglich entrinnen können. Grauenhafter Asphalt und Schlaglöcher hindern uns an einer zügigen Fahrt, und so kommen wir, bis an die Haarspitzen genervt, am Campingplatz von Allariz an. Uneinigkeiten beim Zeltaufbau bringen schließlich die seit einem halben Tag knisternde Spannung endlich zur Entladung, die sich in einem wortreichen Gewitter und gegenseitigen Vorwürfen austobt. Dann Erschöpfung und wohltuend geklärte Ruhe!
Wir sitzen im dichtesten Nebel und alles tropft vor Nässe. Nach den fast schon obligaten Campingfotos traktieren wir den Jockl die 20%ige Steigung zur Hauptstraße hinauf und von dort die restlichen drei Kilometer nach Allariz hinein. Der Ort bietet vieles, auch einige Kostbarkeiten, nur keine portugiesischen Escudos, für die wir in keiner Bank unsere restlichen Peseten einwechseln können. Die frostigfreundlichen Schalterbeamten sehen uns bei Äußerung unseres Wunsches an, als verlangten wir Kaurimuscheln. Doch Allariz weiß uns zu entschädigen. In den engen, steingepflasterten Gassen folgen wir den viele Generationen alten Fuhrwerksspurrillen, wo Straßenpflaster und Häuserfassaden sich zu granitenen Gassenrinnen ergänzen und uns im spärlichen Treiben eines normalen Wochentages aufnehmen. Dabei wagen wir uns durch Klingeltüren von Geschäften, die selten das Ausmaß eines überdimensionalen Schuhkartons überschreiten, in denen man nichts findet und doch alles wie auf wundersame Weise bekommt. Das weit größere Wunder entdecken wir mit der Kirche San Martiño, einem hinreißenden Bauwerk aus dem 10. Jahrhundert, mit dekorativem Portal und verzierten Dachsparrenköpfen - alles in allem ein kompaktes, sehr gefälliges Werk und gutes Beispiel für den mozarabischen Baustil. Als Mozaraber galten in Spanien unter maurischer Herrschaft lebende Christen; sie ließen sich bei der Errichtung ihrer Kirchen vom Gestaltungsreichtum arabischer Kunst inspirieren und übernahmen viele Elemente daraus, was am Ende zu einer neuen, sehr anmutigen, wenngleich in der Kunstgeschichte auch stiefmütterlich behandelten Stilrichtung führte.
Allzu lang können wir unseren Besuch jedoch nicht mehr ausdehnen, denn eine Etappe von rund 90 Kilometern sitzt uns im Nacken und treibt zum Aufbruch. Um nicht aus der Übung zu kommen, glänzen wir gleich hinter der Stadt wieder mit der Wahl einer falschen Abzweigung; diese erleichtert uns einmal mehr eine wenig aufschlußreiche Beschilderung. Nach einigen Kilometern wird der Mißgriff augenfällig, doch wir fahren weiter nach dem Motto: Lieber falsch voraus, als ganz zurück! Statt auf der gut ausgebauten N525 röchelt Jockl auf kurviger Straße und desolatem Asphalt die ehemalige Hauptverbindung von Allariz nach Xinxo de Limia in die Berge hinauf. Unser Ärger verflüchtigt sich im Nu, als mit jedem Höhenmeter die Nebelschwaden mehr und mehr auseinanderdriften und uns mit einem Mal gleißendes Sonnenlicht umfängt. Wunderbare Ausblicke in die Umgebung mit felsigen Almlandschaften unter einem lila-gelben Sommerteppich von Heidekraut und Ginster erwarten uns. Reste von Nebelwolken kuscheln noch kurz in kleineren Mulden, ehe sie unter der Wärme endgültig schwinden und unsere Blicke ungehindert über Stock und Stein, Fels und Wald bis nach Allariz zu Tal purzeln können. Daß dieser Umweg nicht nur landschaftliche Vorteile hatte, merken wir, als die alte Landstraße wieder in die N525 mündet. - Der Nürburgring läßt grüßen! Wir haben ärgste Schwierigkeiten, in diesem Rennen überhaupt unsere schlichte Anwesenheit zu behaupten. Unglaublich, mit welcher Skrupellosigkeit uns manche Fahrer über den Straßenrand abzudrängen versuchen und zu Überholmanövern ansetzen, die man nur noch als haarsträubende Mutproben gelten lassen kann. Mehr unter Angst- als unter Hitzeschweiß leidend, laufen wir in Xinxo de Limia ein und schneller als gedacht auch wieder aus. Eine grauenhafte, laute Stadt, durch deren Zentrum sich der gesamte Schwerlastverkehr quält und die Bewohner mit Abgasen und unentwegtem Lärm beglückt. Auf der Straße versteht man kaum sein eigenes Wort und auf der schweißnassen Haut klebt in Kürze ein Film aus Kohlenmonoxyd. Die Weiterfahrt nach Verin erweist sich als nicht recht viel besser - Viel Verkehr auf einer
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