Mit Jockl nach Santiago
karger und die Menschen härter als anderswo sind; ein dünnbesiedeltes Land, dem die massenweise Abwanderung seiner Söhne und Töchter in ferne Städte oder in die überseeische Emigration auf lange Zeiten bittere Wunden schlug- In unseren Tagen wird Trás-os-Montes gerne als »portugiesischstes« Portugal bezeichnet. Sicher mit Recht was die Unwirtlichkeit des Landes und seines rauhen Klimas, die Rückständigkeit und Armut seiner Bevölkerung betrifft; nicht zu vergessen das eingebundene Leben der Menschen in einem ewig gleichen Jahresrhythmus aus drei Monaten glühenden Sommers und neun Monaten Regen, Wind, Schnee und arktischer Kälte. Trotzdem wird den Tránsmontanern von Leuten, die es nicht besser wissen, allzu gern ein nostalgisches Dasein angedichtet. Aber deshalb schwitzt, friert und arbeitet es sich nicht angenehmer. Auch meine Gesprächs-Partnerin, obwohl fern aller jahreszeitlicher Unbill, bekundet offen Unzufriedenheit in und mit ihrer Heimat und will nach ihrem Studium in Porto oder Lissabon ihr Glück versuchen. »Hinter den Bergen« wird man höchstens noch geboren, das eigentliche Leben findet weit weg davon statt.
Unser Leben findet fürs nächste auf Jockls flammenden Sitzen statt. Nicht lange und wir fühlen uns wie undichte Wassersäcke, so bricht uns der Schweiß am ganzen Körper aus, und heißer Fahrtfön sengt uns fast die Haare vom Kopf. Wir machen Brunnenpausen, so oft die Möglichkeit dazu besteht und drücken uns in jedes Fleckchen Schatten, das ein wenig Kühlung verspricht. Die Landschaft erleben wir trotz ihrer Kargheit zuweilen abwechslungsreich mit Hügeln, kleinen Feldern, dazwischen immer wieder größere Gruppen von Pappeln und grünes Buschwerk, dann wieder steinige Äcker, trockene, rissige Erde, dorniges Gestrüpp und alle paar Hügel ein Dorf in deprimierender Ausgestorbenheit. Kurz vor Eixes wechseln wir die Provinz von Vila Real nach Bragan?a und ringen uns danach die letzten Kilometer nach Mirandela ab. Im kleinen Städtchen am braunbrühigen Río Tua pulsiert gutbürgerliches Leben. Das Zentrum vernebelt zwar Schuttstaub weitläufiger Bau- und Restaurierungsarbeiten, doch auch die übrige Stadt lohnt einen frühabendlichen Spaziergang durch gepflegte Parkanlagen mit Blumenrabatten in wasserbesprenkeltem Rasen. In der Palmenallee der Hauptstraße - Palmen in Trás-os-Montes! - mit ihren Blumenarrangements fühlt man sich tatsächlich wie ein willkommengeheißener Ehrengast. Vorbereitungen zu größeren Festlichkeiten - einer Romaria oder einem Festa - sind im Gange; Fähnchen, bunte Lämpchen und Girlanden überspannen bereits Straßen, Gassen und die Fußgängerbrücke über den Río Tua. Die Krönung von Mirandela, das barocke Rathaus auf der höchsten Erhebung der Stadt, leuchtet von weitem in seiner hellen Fassade. Seine naturbelassenen granitenen Fensterumrandungen, Volutengiebel, Gesimse und Pilaster stehen dabei in dekorativem Kontrast zum weißen Anstrich des Bauwerks und verwandeln das sonst eher durchschnittliche Herrschaftsgebäude in ein kleines Prunkstück.
Große Anziehung übt auch ein riesiges Einkaufscenter am Stadtrand auf uns aus, aber nicht so sehr wegen des sagenhaften Warenangebotes als vielmehr wegen einer unbezahlbaren Tiefkühlabteilung, die wir mehrmals auf- und ablaufen und uns dabei fühlen wie Gott auf Grönland. Der Weg zum Campingplatz, natürlich wieder eine weit entfernte Enklave der Stadt, beschert uns wegen meines hier zu Lande widerrechtlichen Sitzens auf dem Kotflügel einen belehrenden Rüffel der Polizei. Na gut, ab nach hinten! Heiß ist es da wie dort und erst am Campingplatz, sich zu mitternächtlicher Stunde der Schweiß noch immer in den Kniekehlen sammelt. Wenigstens verschonen uns heute die Horden von Stechmücken; die bekommen wahrscheinlich keine Landeerlaubnis wegen Überschwemmung des Flugfeldes. Auch an Schlaf brauchen wir nicht so bald zu denken, denn bis 3.00 Uhr morgens geistern im Laternenlicht immer wieder Neugierige um unseren Jockl herum, wispern und lachen und klopfen auf sein Blech, so daß wir die jeweilige Situation trotz Müdigkeit einigermaßen im Auge behalten wollen, um bei Bedarf mit einem vernehmlichen Räuspern zur Stelle zu sein.
Ein leichter Wind am Morgen will uns milde stimmen auf ein neues Waschküchenklima. Die Polizei hat aus irgendwelchen Gründen am Tor zum Campingplatz Stellung bezogen, und dementsprechend artig sitze ich auf der Rückbank, als wir den Platz höflich grüßend
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