Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
Vom Netzwerk:
Tag kommt, läßt uns alle in schallendes Gelächter ausbrechen. Demnach müßte sich unter Jockls harmlosem Äußeren eine Höllenmaschine verbergen. Nicht weniger als 220 PS wurden ihm in »El Progreso« angedichtet oder besser gesagt, zugemutet. War’s auch ein Druckfehler - »Viva la libertad de prensa!« - Es lebe die Pressefreiheit!
    Trotz aller herzlicher Aufnahme und Hilfsbereitschaft leiden wir wie schon lange nicht mehr unter der andauernden Hitze. Um 20.00 Uhr schockt uns das Thermometer mit unglaublichen 34°C, und nicht der geringste Lufthauch erlöst den beginnenden Abend von seiner Stickigkeit. Da reagiert sogar die »frischeste« H-Milch sauer, und der beste Hartkäse gerät dabei aus der Façon. Irgendwie tut er mir sogar leid, als ich ihn sonnenwarm aus seiner Verpackung schäle und er aller vernünftiger Käseform beraubt, verdrückt und fettschwitzend zwischen meinen Fingern klebt. Diesen gelben widerlichen Klumpen sollen wir nun essen? Angesichts dieses Abendmahls - unsere Einkaufsunlust beschert uns leider kein reichhaltigeres - hab’ ich auch Mitleid mit uns. Bratäpfel ließen sich vielleicht noch auf Jockls Motorhaube zubereiten, dazu die Reste der letzten angebrochenen Kekspackung. Oder warme Joghurtklümpchen mit Käsetröpfchen. Oder noch besser: in Keksbröseln gewälzte Käsekugeln zu gedünsteten Apfelscheiben in saurer Milch. Die wenigen Zutaten schränken die Vielfalt unserer kulinarischen Kreationen keinesfalls ein und es macht uns einen Heidenspaß, die grauenhaftesten Gerichte zu erfinden. Nebenbei warten wir auf die Abendkühle wie auf einen verspäteten Gast. Lange nach Mitternacht stellen sich erträglichere Temperaturen ein und lassen uns in einen kurzen und wenig erholsamen Schlaf fallen.
     
    Ein leicht bewölkter Himmel wiegt uns in der Hoffnung auf angenehmere Tagestemperaturen. Die Fahrt nach A Caniza, rund 35 Kilometer östlich von Ponteareas, verläuft jedenfalls noch recht menschlich. Kaum Verkehr auf der gut ausgebauten N120 und eine Landschaft, die uns die vergangenen Küstentage schnell vergessen läßt. Eukalyptus, Kiefer, Ginster und Heidekraut liegen in einer dichten Vegetationsdecke über einem schier endlosen Hügelmeer. Und als hätten wir seit längerer Zeit keinen richtigen Atemzug mehr getan, füllen wir unsere Lungen gierig mit würziger, kühler Luft. Außer einem Heißluftballon, der ungefähr zwei Kilometer vor uns in niedriger Höhe steht und der schließlich in raschem Sinkflug hinter einem Hügel unseren Blicken entschwindet, bleiben wir allein an diesem Vormittag. Zehn Kilometer vor Caniza steigt die Straße zu einer kleinen Paßhöhe an, dem 790 m hohen Fóntefria. Von hier senkt sich das Land wellenartig zu den Flußniederungen beiderseits der Straße, und leicht bläulicher Nebel - ein untrügliches Zeichen für Eukalyptus - zieht in gespenstischen Schleiern durch die Täler. Rechts von uns ragen auf großer Fläche die verkohlten Baumstümpfe eines vergangenen Waldbrandes wie Galgenbäume aus einer dichtgrünen Farnmatte. Und über allem Land erhebt sich in edlem Stolz der zu einem spanischen Wahrzeichen gewordene »Osborne-Stier« in gewohnter Manier. Zwar soll er nur als werbewirksame Plakatwand an die Süffigkeit von Osborne-Brandy erinnern, fungiert inzwischen aber bereits landesweit als eine kaum mehr wegzudenkende, originelle Landmarke gut sichtbar auf einsamen Höhen, oft inmitten weiter Ödnis.
    In einer langen Kehre nähern wir uns Caniza, wo wir nach einer zweieinhalbstündigen Fahrt unseren eingerosteten Kniegelenken endlich wieder Schmierung geben und die knurrenden Mägen mit gebackenen Knusprigkeiten und Kaffee beruhigen. Gleichzeitig begraben wir hier auch unsere letzten Hoffnungen auf einen weniger schweißtreibenden Tag. Die Wolken lösen sich in gläsernes Himmelsblau auf und die Sonne powert erneut ungefilterte Glut auf uns nieder.
    Bald liegt nach Caniza die Provinzgrenze zwischen Pontevedra und Ourense hinter uns, und auch die erste Sehenswürdigkeit dieser neuen Provinz läßt nicht lange auf sich warten. Am Ortsrand von Melón lädt die Klosterkirche Santa María zu einem Besuch ihrer alten, granitenen Gemäuer ein. Das gedrungene Bauwerk mit Glockenturm aus dem 12. Jahrhundert erhebt sich über dem Grundriß einer Kreuzform; daran schließt sich ein Kreuzgang mit zwei Kapellen und ein kleiner Friedhof an. Zwei mit Putzeimern und Schrubbern ausgerüsteten Senoras verdanken wir eine unversperrte Pforte und unser Staunen

Weitere Kostenlose Bücher