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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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verlassen. Nochmals hinein nach Mirandela, wo wir gestern einen Reifenhändler aufgespürt haben - aber auch dort: Außer Spesen nichts gewesen! Armer Jockl, sein Profil auf den Hinterreifen mißt an manchen Stellen kaum mehr einen halben Zentimeter. Auch wenn sich Wolfgang bei einem Telefonat mit unserem Voggenauer Franz versichern läßt, daß die eigentliche Reifenstärke ohne Profil noch immer einen guten Zentimeter beträgt, so rückt die baldige Inangriffnahme des Problems immer näher. Das »Gewußt-wie« bereitet uns dabei Kopfzerbrechen und bleibt auch lange Zeit Thema unserer Gute-Nacht-Gespräche. Von nun an gewöhne ich mir ab, Jockls Profile regelmäßig zu kontrollieren, sonst erliege ich womöglich dem Wahn, ihn tragen zu müssen.
    Den Auftakt zur Weiterfahrt bildet unschlüssiges Rätseln, ob wir die ab Mirandela beginnende IP4 mit dem Jockl befahren dürfen oder nicht. Ein viergeteiltes Fahrverbotszeichen mit Fußgänger, Fuhrwerk, Fahrrad und einer Kuh darauf läßt uns im Zweifel. Doch da wir mit keiner dieser Abbildungen Ähnlichkeiten aufweisen, wagen wir einen Versuch. Schon die ersten Kilometer bringen es an den Tag - auf dieser Piste haben wir nichts zu suchen. Feuerwehr, Straßenmeisterei und sonstige Autofahrer hupen und blinken uns an. An der nächsten Abfahrt bzw. Auffahrt überprüfen wir den Schilderwald nochmals gründlich. Doch von einem Traktor steht nirgends etwas geschrieben oder abgebildet. In der neugewonnen Gewißheit gegen keinerlei Verkehrsgesetze zu verstoßen, fahren wir wieder auf, und obwohl wir ausschließlich den Pannenstreifen benützen, setzt sich die hupende, blinkende Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer fort. Mulmige Unsicherheit treibt uns bei Lamas de Podence erneut vom Rollfeld. Vor einem nahen Restaurant klären uns Gäste endlich auf: Wir waren von Mirandela 27 Kilometer Richtung Braganga auf der Autobahn unterwegs! Aber wie sich rausstellt, nicht durch unser Verschulden; tatsächlich hatte man vergessen die Autobahnauffahrten mit entsprechenden Hinweisen und Fahrverboten für Landmaschinen auszustatten. Und war die vorangegangene Strecke unseren Magennerven nicht zuträglich, so werden es nachfolgende 37 Kilometer auf keinen Fall für unsere Bandscheiben.
    Wir wechseln auf die »Reste einer Römerstraße« - nein, eigentlich handelt es sich um die N15, die als schmales, kurviges Pendant zur Autobahn ebenfalls nach Braganga führt, natürlich durch die zahllosen Kurven um ein erhebliches Stück länger und um Sitzqualitäten schlechter. Dort, wo Schafe und Kühe unseren Weg queren, fehlt sogar der Asphalt. Vereinzelt gelingt uns im Geholper über Schlaglöcher und Waschbretter die Wahrnehmung einer ansehnlichen Vegetation. In Tälern mit mageren Bächen gedeihen Obstbäume aller Sorten, dazu Linden, Platanen und Palmen; Hügel und Hänge bedecken Steineichen und Mandelbäume, und Alleen von Oliven reihen sich zu großen Flächen. Auch Korkeichen mit ihren rotorangen Wunden entfernter Rinden mischen sich in die Landschaftsszenerie. Auf die Palette all dieser Grünnuancen setzen verwilderte, herrlich blühende Gärten in den wenigen Dörfern bunte Farbtupfer. Die Hitze - sie ist in ihrer penetranten Beständigkeit eigentlich bald kein Thema mehr - macht uns schlichtweg fertig. Bei einer Pause hängen wir dermaßen erledigt am Straßenrand rum, daß ein vorbeifahrender Traktor spontan hält und sich ein hilfsbereiter junger Mann nach unserem Problem erkundigt. Dank’ der Nachfrage, wir rasten nur, auch wenn wir dabei einen komatösen Eindruck erwecken. Keine fünf Minuten später stoppt ein Pkw. Ein ebenso freundlicher Portugiese mit Familie auf Heimaturlaub aus dem fernen Gastarbeiter-Deutschland verrät uns bei einem kurzen Woher-Wohin-Geplänkel den Standort eines Brunnens mit kristallklarem, eiskaltem Wasser einige Kilometer talwärts. Allein diese rettende Wonne vor Augen, erweckt uns zu neuem Leben. Und wirklich schießt an beschriebener Stelle das kalte Wasser armdick aus einer gemauerten Quellfassung. In dem veranstalteten Gepritschel gebärden wir uns wie verrückt - was für ein göttliches Naß. Die restlichen Kilometer nach Bragança erleben wir in neuerstandenem Bewußtsein.
    Doch Bragança liefert schon den nächsten Dämpfer. Seit unserem letzten Besuch hat eine rasante Bautätigkeit die Neustadt förmlich überschwemmt und sie mit architektonischen Greueltaten schier ins Uferlose wachsen lassen. Eine halbe Ewigkeit rattern wir eingekeilt

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