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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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zwischen reichlich Verkehr durch eine Allee aus Neubauten und Kränen Richtung Zentrum. Dort finden wir uns endlich wieder zurecht und nützen unseren nachwirkenden Elan gleich für ein erstes Wiedersehen und Neuentdecken in Braganças Unterstadt. Der Oberstadt, die sich innerhalb des mit 18 Wehrtürmen ausgerüsteten Mauerrings der Festung verbirgt, künden wir für morgen unseren Besuch an. Heute begnügen wir uns mit der kleinen Kathedrale, die gerade restauriert wird, stattlichen Bürger- und Adelshäusern in Renaissance oder typisch portugiesischem Barock und dem beginnenden Erwachen der Bürger aus ihrer Siesta. Jedem weiteren Anschwellen des allgemeinen Treibens in den Straßen kehren wir bald den Rücken, um unseren Lagerplatz für die nächsten beiden Nächte auszukundschaften. Der befindet sich schließlich sechs Kilometer nördlich von Bragança, romantisch gelegen, direkt am teils bewaldeten Ufer des Río Sabor; eine Art Naturcampingplatz ohne jede Parzellierung, recht unkompliziert und rustikal, auch was die sanitären Anlagen betrifft.
     
    Der nächste Morgen ist kein guter Morgen und der Tag kein guter Freitag. Unsere Bragança-Tour fallt ins Wasser, da ich das Zwei-Minuten-Weckspiel mit zuwenig Konsequenz betreibe und mich letztendlich nach Wolfgangs eigenen Worten von seinem Schlafbedürfnis überzeugen lasse - eine folgenschwere Mißachtung unserer ungeschriebenen Urlaubsgesetze. Als sich im Zelt der kaltgewordene Frühstückskaffee, dank des Prachtwetters, wieder langsam zu erwärmen beginnt, flüchtet auch Wolfgang aus seinen Backofenträumen in die 11.00 Uhr-Realität dieses Vormittags. Die Konversation beginnt mit Vorwürfen und Anschuldigungen: »Wieso host mi net gweckt? Jetzt is scho zhoaß zum Foan!« - »I hob di gweckt, oba du woitst nu weidaschlofn.« - »Wonn host mi gweckt, i woaß nix davon.«
    »Jo, du woaßt nia was davon. Dahoam konnst a aufstehn, nua im Urlaub is’ oiwei so a Zirkus.« -
    »Wea mocht do an Zirkus, du wearst mi woi nu aufweckn kinna, oda?« - »Geh loß mi do in Rua!« - und trallalilala so weiter und so fort. In diesem Fall dauert die köchelnde Ruhe bis zum frühen Abend. Wir meiden die gegenseitige Nähe, denn jeder fühlt sich wegen des anderen um den Braganga-Besuch gebracht. So verbringe ich den »freien« Tag in innerlichem Aufruhr, wate im Fluß herum und kühle im fließenden Wasser Füße und rauchende Wut. Einem genialen Einfall folgend, plaziere ich einen Klapphocker an einer seichten Stelle im Fluß und fröne meinem Lesestündchen mitten im rauschenden Kühl des Río Sabor. Irgendwann lassen mich kurze heftige Bewegungen, die schon einige Zeit meinen äußersten Blickwinkel beunruhigen, aufschauen und nach der Ursache der Störung suchen. Da zappelt und windet sich ein silbriger Fisch im Biß einer Wasserschlange, die den Brocken nicht loslassen will, obwohl er ihr sichtlich zwei Nummern zu groß ist. Im unentwegten Kampf nähert sich die Schlange mit ihrem Opfer langsam dem Ufer und zieht es geschickt und ohne Umschweife an Land. Dort liegt dann der erschöpfte Fisch in letzten lahmen Zuckungen in praller Sonne. Die Schlange taucht wie zum Händewaschen vor der Mahlzeit nochmals kurz ins Wasser, bevor sie sich über den königlichen Happen hermacht. Doch wie sich zeigt, war ihre ganze Mühe für die Katz, denn die Größe des Fisches überschreitet bei weitem die Fassungskapazität ihrer Kiefer. Sie plagt sich langmächtig, ihn in die richtige Schlingposition zu bringen, zerrt ihn zwischendurch ins Wasser und wieder zurück auf die Steine. Es hilft nichts, dieser Braten sperrt sich gegen das Gefressenwerden. Der Fisch hat gesiegt, tragischerweise hat es ihn das Leben gekostet.
     
    Die Wogen unserer kindischen Zwistigkeiten haben sich geglättet. Sehr früh, wie selten in unserem Urlaub befinden wir uns bereits auf Achse. Unglaubliche 14°C zeigt das Thermometer bei unserem Start, dazu noch der Fahrtwind - oh schnatter! Vom Tal des Río Sabor kommend, wirkt Braganga leicht überschaubar und in ihrer Einsamkeit am Rande der Serra de Nogueira fast verletzlich. Der Neustadtwust dehnt sich hinter dem Festungsberg und der Unterstadt ungesehen gegen Süden aus. Interessanterweise weicht mit jeder weiteren Annäherung der Touch einer Verletzlichkeit zugunsten einer soliden Wehrhaftigkeit, die Braganga nach außen hin als streitbare Bastion auszeichnet.
    In den morgenleeren Gassen haust noch spärliche Nachtkühle, als wir zur Oberstadt hinaufwandern. Durch

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