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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Übersetzung dranhängt. Fotografierverbot herrscht auch keines, besser kann man uns kaum verwöhnen.
    Wieder zurück am Hauptplatz, amüsieren wir uns in einigem Abstand über den ständig wechselnden Publikumsverkehr rund um unseren Jockl. Junge Burschen wie ältere Herrn begutachten ihn mit kritischen Blicken; Hände in den Hosentaschen vergraben, rumpfgebeugt, um etwas von Jockls öligem Innenleben zu erhaschen, mit den Fußspitzen gegen die Reifen tippend oder an der Kiste rüttelnd, ob sie auch was herhält. Auch die »Policia« dreht mehrere Runden dran vorbei, und obwohl wir im Parkverbot stehen - wo sonst - nimmt sie keinen Anstoß daran. Später rafft sich Wolfgang für einen allerletzten Versuch in Sachen Reifen auf. Das war’s dann auch schon! Jetzt heißt es endgültig Nägel mit Köpfen machen. Wie wir das am besten bewerkstelligen sollen, besprechen wir am Camp, wo neben uns mittlerweile ein neuer Nachbar Einzug gehalten hat, der uns lustigerweise bereits in Santiago einmal gesichtet hat. Die Welt ist klein, die des Zufalls unendlich.
     
    Das wichtigste vor unserer Weiterfahrt werden heute zwei Telefonate: das erste mit dem Voggenauer Franz, unserem kompetenten 24-Stunden- Auskunftsbüro alle technischen Belange betreffend, die uns gelegentlich Kopfzerbrechen bereiten. Der Franz stellt bei telefonischen Problemschilderungen die großartigsten Ferndiagnosen, so daß wir immer im Bilde sind, woran unser Schützling gerade leidet, woran es ihm mangelt und wie und womit wir ihm und uns am besten helfen können. Austretendes Fett, undefinierbare, schlagende Geräusche, blaugraue Abgaswolken, Startschwierigkeiten - alles wird geklärt. Und jetzt klopfen wir mit dem nächsten Problem bei ihm an: »Konnst du uns Reifn bsorgn, ha? - Und d’Inge sois uns donn obaschickn!?« - Was sich der gute Franz dabei über die »zwoa Narrischn« gedacht hat, werden wir nie erfahren, auf jeden Fall will er sich für uns ins Zeug legen und läßt uns nicht hängen. Der zweite Anruf klingelt bei Inge, unserem »Basislager« in Forstern, dem Geheimtip für alle, die Unmögliches wollen und sich selbst aus welchen Gründen auch immer außerstande sehen, es zu verwirklichen. Sie, als Anlaufstelle und Rückhalt unseres Unternehmens, als letzten Anker in brenzligen Situationen zu wissen, trägt sehr zur Reisequalität bei. Nun nimmt sich Inge unseres leidigen Reifendilemmas an und erklärt sich bereit, für uns die Kohlen aus dem Feuer holen. Uns bleibt nur die Austüftelei einzelner Tagesetappen bis nach Perpignan in Südfrankreich, wo der Reifenwechsel über die Bühne gehen soll, um unsere voraussichtliche Ankunft festzulegen. Resultat unserer Berechnungen: In ungefähr drei Wochen hoffen wir dort zu sein! Inge will bis dahin folgendes organisieren: 1. eine Spedition, die die Reifen nach Perpignan transportiert; 2. eine Werkstätte in oder um Perpignan, die den Reifenwechsel vornimmt; 3. die zeitliche Abstimmung der Reifenlieferung mit unserer Ankunft in Perpignan. Da haben wir Inge ja einiges an Arbeit aufgehalst, doch sie nimmt ihre Aufgabe mit der souveränen Gelassenheit entgegen, als ginge es ans Kochen einer Gemüsesuppe.
    Erleichtert, unsere Angelegenheit in gewissenhaften Händen zu wissen, starten wir nach Medina del Campo, zuerst mit neuerlichen Schmetterlingen im Bauch, denn die schnellstraßenmäßig ausgebaute N VI sieht nicht so aus, als ob wir unseren Reifenabrieb darauf hinterlassen dürften. Doch Gegenteiliges steht wieder einmal nirgends zu lesen, so wagen wir das Experiment und erreichen Medina del Campo eineinhalb Stunden später ohne Zwischenfälle. Einzig unser Burgenwahn hält uns kurze Zeit zum Narren, als wir von weitem am Stadtrand von Medina ein Castillo zu erkennen glauben, das sich beim Näherkommen als einfacher Getreidesilo herausstellt. In Kastilien, dem Land ungezählter Burgen, brauchen solche Verwechslungen nicht verwundern, denn kaum ein Blick in die nähere oder weitere Umgebung, der nicht von der Silhouette eines Castillos oder einer markanten Burgruine bereichert wird. Auch Medina del Campo leistet unserem Burgenspleen ordentlich Vorschub mit der auf einem Hügel gelegenen beeindruckenden Festung von La Mota, zu deren Füßen sich die Stadt ausbreitet. Vorbildlich restauriert und stolz beflaggt, hebt sich der gotische Ziegelbau wehrhaft gegen den blauen, weißwolkigen Himmel ab. Mudejare Elemente lockern die Strenge des Baus mit seinem mächtigen Hauptturm und den zinnenbekrönten

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