Mit Jockl nach Santiago
Bollwerksmauern hinter dem Burggraben. Ideale Voraussetzungen für ein Gefängnis, als das La Mota auch lange Zeit diente. Johanna die »Wahnsinniggemachte« kannte noch die prächtige Ausstattung der Burg; dem inhaftierten Lebefürst Cesare Borgia hingegen ward seine Zelle zu minder - er sah sich veranlaßt, auszubrechen. Heute flüchtet niemand mehr, im Gegenteil strömt das Publikum zu Kursen, Tagungen und Seminaren in die vortrefflich restaurierten Räumlichkeiten der Festung. Aber auch der gewöhnliche Tourist findet im fast elegant zu nennenden Waffenhof Einlaß und gelangt von dort ins Innere der weitläufigen Anlage, in der eine sehenswerte Ausstellung detaillierte Informationen zu La Motas Geschichte und ihrer langjährigen Restaurierung liefert. - Egal was uns die Stadt selbst zu bieten hat, Medina del Campo findet mühelos Einzug in unseren privaten Pantheon großartiger Festungen.
Unten in der Stadt blendet uns die riesige Plaza Mayor mit sonnenheller Leere, als wir unter den Arkaden buntgetünchter Häuser schlendern. Auch Medina zählt zu den Städten kastilischer Königsresidenzen, und dementsprechend »kunst- und kulturhaltig« dürfte hier ein längerer Aufenthalt ausfallen, den wir jedoch nach einer Schlemmerei göttlich sauren Thunfischsalates für beendet erklären.
Bei einer Ampelkreuzung in der Stadt reiht sich ein Range-Rover neben uns ein, dessen Fahrer uns mit interessierten Blicken mustert. Nun, solchen Aufmerksamkeiten fühlen wir uns öfters ausgesetzt, aber daß uns der Fahrer quer durch die Stadt und weiter auf der einsamen Landstraße nach Olmedo verfolgt, immer knapp hintendran konstant im 15 km/h-Tempo, das behindert unsere psychische Freiheit denn doch. »Wos wün der Typ do dauernd hinta uns? Der soi gfälligst amoi viri foan!« Unser ungehörter Wunsch war dem Typ Befehl; er schert tatsächlich aus, überholt uns und winkt uns zum Halten an den Straßenrand. Der vormals so lästige Herr entpuppt sich schließlich als begeisterter Traktorfan - selbst Landwirt der gehobeneren Klasse mit Besitzungen in der Umgebung und holpriges Deutsch sprechend. Mit ihm erleben wir, was echte Begeisterung heißt. Ergriffen distanziert, umrundet er den Jockl wie ein Heiligtum, faßt sich dabei immer wieder kopfschüttelnd an die Stirn und verschenkt unter strahlenden Blicken halbe Liebeserklärungen an den Verursacher seiner Glückseligkeit. Sein Vokabelrepertoire nach passenden Worten durchstöbernd, versucht er uns sein fassungsloses Staunen über unsere bereits zurückgelegte Gewaltstour verständlich zu machen. Mitunter betrachte ich den Jockl und frage mich, wie oder womit er es wohl geschafft hat, daß dieser vor Freude aufgelöste Senor heute eine schlaflose Nacht verbringen wird. Sind’s die glupschäugigen Töpfe seiner Scheinwerfer, sein keckes, leicht schiefsitzendes Motorhäubchen, seine verführerische, knallrote Sitzschüssel, sein apartes Kistenhinterteil, sein kraftvolles Motorgeschnurre, seine nicht alltägliche Biographie oder alles zusammen?
Auf jeden Fall hat uns dieses Intermezzo ziemlich aufgeputscht. Erfrischt und aufgekratzt wie nach mehreren Dosen Red Bull rattern wir auf der C112 weiter, entlang ockerfarbener Stoppelfelder, gelber Rechtecke von Sonnenblumen und durch Alleen anmutiger Pinien. Nach 23 Kilometer passieren wir die Stadtmauer von Olmedo durch eines ihrer sieben noch erhaltenen Stadttore. Ein blitzsauberes Städtchen, das als Zentrum mudejarer Kunst von sich Reden macht. Doch die Kirche San Miguel, das beste Beispiel mudéjaren Baustils in der Stadt hat geschlossen, ebenso alle anderen baulichen Zeugnisse dieser Art, die wir aufsuchen. Allerdings leiden manche Gebäude unter starken Verfallserscheinungen, was eine Besichtigung wegen Steinschlags ohnedies nicht ratsam machen würde. Also begnügen wir uns mit dem Besuch einer Ausstellung zeitgenössischer Künstler im Rathaus, das uns vom Fenster des Dachgeschosses einen super Blick auf Hauptplatz und Stadt ermöglicht. Unten vor dem Rathaus parkt zur Spielzeugausgabe geschrumpft der kleine Jockl, den wir bald darauf zum letzten Fahrstündchen starten.
Schon nach wenigen Kilometern nordwestlich von Olmedo leuchten die hellen Mauern des Castillos von Iscar weithin über das Land und signalisieren uns das voraussichtliche Ende unserer heutigen Tour. Und wirklich finden wir auf dem Bergrücken weit hinter der Burg, nach einer unwegsamen Schotterkurverei und einem kurzen Anstieg durch Brachland, mitten in einem
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