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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Umkehr nach Torrelobatón, wo wir in einer Kneipe am Ortsrand auf Wetterbesserung warten. Ein kurzer, heftiger Guß und die Sache scheint ausgestanden. Doch noch in Tordesillas, eineinhalb Stunden später, drückt dunkelschwerer Himmel die Schwüle zu Schweißausbrüchen und nadelstichiger Gereiztheit. Ein überfüllter Campingplatz außerhalb der Stadt am Río Duero tut ein übriges: ein Boden buchstäblich wie aus Beton, dem unsere Heringe reihenweise zum Opfer fallen und Wasser gibt es heute auch nicht, da ein Blitzschlag die Wasserpumpe außer Funktion gesetzt hat. Wie erheiternd, dabei stinken wir nach unserer zweitägigen Schweiß- und Staubsuhle wie die Iltisse. Darüber hinaus sitzen uns die Nachbarn so dicht auf der Pelle, daß jeder Rülpser und jede sonstige Regung ungefiltert Gehör findet. Ein Campingplatz besitzt zuweilen wirklich die Intimität eines Oktoberfestes im fortgeschrittenen Lustbarkeitsstadium.
     
    Um Mitternacht sprudelt es wieder aus allen Wasserhähnen und Brauseköpfen und rauscht ozeanisch laut in den Spülkästen. Nach meiner notdürftigen Katzenwäsche mit Mineralwasser beteilige ich mich doch noch am allgemeinen Reinigungsrummel in den Duschen und Waschräumen. Dort herrscht ein dampfendes, kreischendes, seifiges Durcheinander mit schlagenden Türen, röchelnden Wasserleitungen, laufenden Haarfons und hin- und hergeschrienen Unterhaltungen zwischen den einzelnen Duschkabinen.
    Wir sind sauber, doch der Himmel sieht schmutzig aus am frühen Morgen. Heute legen wir einen Rasttag ein und konzentrieren uns ganz auf Tordesillas, eine Stadt, die bei bloßer Durchfahrt nicht unbedingt zu einem Stopp animieren würde. Aber als ehemalige Residenz der kastilischen Könige hat sie mehr zu bieten als einen protzigen »Parador Nacional« und die Funktion eines Verkehrsknotens. Wir flitzen mit dem Jockl auf der mittelalterlichen Bogenbrücke über den Duero und hinauf in die, wie auf einer Terrasse gelegene, Stadt. Ganz schön geschäftig die Bürger von Tordesillas, auch wenn alles Reden, Arbeiten und Gehen in einer geradezu ansteckenden Beschaulichkeit geschieht. Für unseren Bummel versorgen wir uns mit Wegzehrung aus der Panaderia, darunter ein festteigiger, heller Brotfladen, »lechegino« genannt - eine Spezialität der Provinz Valladolid. Kaum bimmelt die Ladentür hinter uns ins Schloß, fallen wir wie räuberische Elstern in den Brotsack ein, reißen den Fladen in Stücke und beenden seine Existenz mit wortlosem Genuß. Zum Kaffee am Hauptplatz bleibt kein Brösel mehr davon übrig. Hier, an diesem von holzknorrigen Arkaden gesäumten Geviert mit seinen lebhaften Fassaden aus hohen Fenstern und schmiedeeisernen Balkongeländern beginnen wir auch unsere Runde.
    Überall werden wir an sehenswerten Details fündig. Man braucht nur die Augen offenzuhalten nach Sichtbarem und Verstecktem: ein steinernes Wappen über einer Haustür, schmückende Gesimse, dekorative Fensterformen, stille Innenhöfe, noble Toreinfahrten und dutzendfach mudejare Stilelemente an Häusern und Kirchen; dazwischen Kurioses in den Auslagen oder Begegnungen mit Menschen jeden Temperaments: der hilfsbereiten Senora im Tourist-Office, dem gesprächigen Portier im Museum, der hantigen Xanthippe im Tabakladen oder dem freundlich-rührigen Verkäufer in der Bäckerei. Mit dem Stadtplan in der Hand, auf dem wir nur sporadisch unseren Standort ermitteln, gondeln wir die Gassenfluchten nach »Schätzen« ab. Doch das Zuckerl, das Gelbe vom Ei, sparen wir uns bis zum Schluß: Real Monasterio de Santa Clara, die ehemalige Königsresidenz und späteres Kloster der Klarissinnen. Wir nähern uns dem Kloster aus einer Seitengasse und wundern uns noch über die fensterlosen, trostlosen Mauern des Baues, der von außen eher den Eindruck einer Haftanstalt denn eines Prachtbaus erweckt. Wir biegen um die nächste Ecke und staunen; wir betreten einen Vorhof und staunen noch mehr; wir schließen uns einer Führung durch den Gebäudekomplex an und staunen uns die Augen aus dem Kopf. Ein arabischer Palast wie er im Buche steht mit wahren Kostbarkeiten an Architektur und Kunsthandwerk - steingemeißelt, bemalt, vergoldet, geschnitzt und geschmiedet - und alles zusammen in großartigem und reinstem Mudejar-Stil aus dem 14. Jahrhundert. Unter Hufeisenbögen, Kuppeln und Gewölben, durch Gänge, Säle und Kapellen geleitet uns eine attraktive Senorita, die ihren spanisch gesprochenen Erläuterungen extra für uns jeweils eine englische

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