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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Außer an Dörfern von scheinbarer Vergessenheit weiden wir uns im Tal des Río Cega an ocker- und lachsrosafarbenen Felswänden mit käselöchrigen, erosionsbedingten Aushöhlungen. Entlang des schmalen Baches gedeihen Pappeln, Kiefern und die Blumengärten weniger Häuser, die eine unwirkliche Stille umschlummert. Immer bergauf und -ab, so daß unser Jockl - ein seltener Fall - sogar Temperatur anzeigt, halten wir auf Pedraza zu, in dessen Richtung die Bergkette der Somosierra mit Gipfeln bis über zweitausend Meter durchgehend den Horizont abgrenzt. Diese liegen allerdings im Moment unter einer Wolkenhaube versteckt, die das Schönwetterfeeling irgendwie dämpft. Eine Kuppe zwischen den Orten Pajares de Pedraza und La Velilla ermöglicht einen ersten Blickkontakt mit dem befestigten Pedraza-Hoch über dem Tal auf einem Felssockel, wo sich hinter einer intakten Stadtmauer die Häuser drängen, vom vorgesetzten Bollwerk einer Burg geschützt, bewahrt die Stadt ein herrliches Stück Mittelalter. Die Spannung steigt, während der Jockl die letzte Hürde nach Pedraza hinauf nimmt. Die Gegenwart endet schließlich vor dem Stadttor, dahinter existieren - wenn auch teilweise restauriert - Ansichten zurückliegender Epochen. Um die weitläufige Plaza Mayor - gerne als schönster Platz Kastiliens gewürdigt - gruppiert sich ein vielfältiges Spektrum an Häuserformen mit Mauern aus säuberlich geschlichteten Steinquadern oder Fachwerk, mit Ziergiebeln und Wappen geschmückt. Aus den schattigen Arkaden am Hauptplatz tritt man unter blaue Himmelsbänder enger Gassen, deren Toreinfahrten noch an feinere Herrschaften gewöhnt scheinen. Durch geöffnete Fenster bieten sich im Vorbeigehen Blicke auf kunstvoll gedrechselte Tische und Stühle, bestickte Vorhänge und bunte Blumensträuße auf polierten Kommoden. Etwas abgelegen von der eigentlichen Stadt lädt das gotische Castillo de Velasco zum Besuch ein; ein strenger, nicht allzu hoher Bau, der im Umfeld einer sonnenverbrannten Grasfläche in einem besonders kräftigen Kontrast zum grünen Tal dahinter steht. Die Burg befindet sich heute im Besitz der Nachkommen des baskischen Malers Zuloaga, und verständlicherweise werden Besucher nur in geführten Gruppen eingelassen. Da wir weder gruppiert noch geführt werden wollen, kehren wir zum Ort zurück und telefonieren, vor Ungeduld bald platzend, mit unserem »Basislager«, um nachzufragen, wie es Inge mit ihren Vorbereitungen zur Reifentransaktion ergeht. - »Jo do legst di nieda, d’Inge hot glott scho ois oaganisiert! A so a Wahnsinnsweib!« - Tatsächlich hat Inge managerlike in die Telefontasten gehauen und alles in Bewegung gesetzt, auch das französische Konsulat nicht geschont, um unsere Weiterreise zu ermöglichen. Leider »feigelts« den Franz noch bei der Beschaffung der Reifen, aber wir werden in Sicherheit gewogen, daß »scho ois hihaun wird«. - An dieser Stelle nochmals Dank den beiden für ihre unermüdlichen, unverzüglichen und absolut zuverlässigen Bemühungen!!
    Diese tollen Neuigkeiten verdienen natürlich ausgiebig besprochen und gefeiert zu werden. Am besten unter den Arkaden eines Cafés an der Plaza Mayor, umgeben vom eigenwilligen Fassadengeviert einer Arena! - richtig gelesen denn die große Plaza verfügt an allen Straßenzugängen Verriegelungsvorrichtungen, um den Platz bei Bedarf in eine Stierkampfarena umfunktionieren zu können. Diesem Vorzeige-Städtchen fehlt es an nichts, auch nicht an etwas abbröckelndem Verputz, den die gekehrte Reinlichkeit der Stadt wahrscheinlich als nostalgisch-dekorative Zutat führt. Touristisches Volk verliert sich im Winkelnetz der Gassen und in den wenigen Restaurants, so daß sich Pedrazas Urwüchsigkeit an manchen Stellen ohne verräterische Spuren des 20. Jahrhunderts ablichten läßt und ein Augenblick des fernen Gestern festgehalten werden kann.
    In unserer stundenlangen Geschäftigkeit bemerken wir kaum etwas vom drohenden Wetterumschwung. Die Wolkenbank über der Somosierra hat sich unmerklich vorangeschoben und bedeckt bereits einen Großteil des Himmels. Erste Tropfen fallen, als wir durch Pedrazas Stadttor wieder zu Tal sausen. Mal regnet es, mal nicht - in diesem ständigen Wechselspiel fahren wir trotzdem gemütlich zurück - mehr als 10 km/h hätte ohnedies eine kleine Gehirnerschütterung zur Folge - und erreichen Cantalejo in Sonnenschein badend.
     
    In der Nacht rütteln Wind und Unwetter an unserem Zelt und ein Regen abbrechender Aste von

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