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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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umstehenden Bäumen geht auf uns nieder, der aber nur mich beunruhigt - Wolfgang schnarcht die brausende Wildnis von draußen aus seinem Bewußtsein. Ich fürchte, nur ein halbes Inferno an Katastrophen könnte sich seines Erwachens bemächtigen. Auf jeden Fall weist am Morgen nur ein mit Blättern und Asten übersäter Rasen auf die nächtlichen Umtriebe hin; die Sonne steht am Himmel wie alle Tage zuvor.
    Nach dringenden Einkäufen in Cantalejo starten wir Richtung Sepúlveda. Auf der Trittfläche der Jocklkiste stapelt sich inzwischen ein halbes Warenlager: zwei Kanister Waschwasser, unsere kleine Proviantkiste, einige Flaschen Mineralwasser, ein Sack Apfel, ein Kanister Motoröl für den nächsten Ölwechsel, eine Flasche Getriebeöl, gelegentlich Schuhe und was sonst noch so anfällt wie gesammelte Steine und gefundener Schrott. Sitzen könnte hier niemand mehr, und manchmal erinnert mich unsere Aufgepacktheit an einen Flüchtlingstreck, ein andermal auch an fahrendes Volk wie Schausteller, Zirkusleute oder Zigeuner, obwohl letztgenannte heutzutage in wahren Luxuswohnwägen wesentlich komfortabler durch die Lande tingeln als ehedem. Nur wir beide frönen nach wie vor der Unbequemlichkeit und hätscheln unseren zu Hause geschlüpften »Vögel« weiterhin. Apropos Vogel - vor der Ortschaft Consuegra, in einer schroffen Landschaft aus kahlen Felsen und nur teils begrünten Hügeln, kreisen gezählte drei Dutzend Adler über unseren Köpfen. Mit reglosen Flügelspannen liegen sie auf ihren Luftpolstern und gleiten in eleganten Ellipsen durch eine beneidenswerte Freiheit. Fast bis nach Sepúlveda begleiten uns die Könige der Lüfte, wo sie vor dem Tal des Río Duratón wie hinter einer unsichtbaren Grenze schließlich zurückbleiben. Wir hingegen werden bereits von der glanzvollen Ansicht Sepúlvedas in Atem gehalten. Die Stadt staffelt sich malerisch am Hang eines Bergrückens, der im Mündungszwickel zweier Flüsse wie eine Halbinsel aus der Landschaft ragt, bekrönt vom beherrschenden Bau einer romanischen Kirche. Eine längere, kurvige Abfahrt ins Tal und auf der anderen Seite wieder hinauf, gibt Gelegenheit, uns aus verschiedenen Blickwinkeln an Sepúlvedas einmaliger Lage zu begeistern. Kaum an den ersten Häusern vorbei, verzögert ein vielfältiger samstäglicher Einkaufstrubel ein Weiterkommen. Wir schaffend grad mal bis zur Plaza Mayor, der einzig ebenen Fläche in einer Stadt aus steilen Gassen, Treppen, Stiegen, schmalen Auf- und Durchgängen. Wolfgang feilscht grimmig um ein Stückchen Parkplatz, das uns eine resolute Senora streitig macht. Ihre Stimmgewaltigkeit und die zur Bekräftigung ihres Willens in Positur gerückte bedrohliche Körperfülle, die fleischigen Arme dorthin in Fett gestemmt, das sich nicht mehr Taille nennen sollte, veranlaßt uns, doch in ein anderes Eckchen auszuweichen. Alsdann mischen wir uns unters Volk und hinein in die verführerisch duftendsten Panaderias und Pastellerias seit Tagen. Mit größeren Augen als Hunger kämpft unser Wissen über Kalorien und Verstopfung vor den Auslagen gegen Knuspriges, Fruchtiges und Cremiges - und verliert, wie meistens. Einige Brösel einer Puddingrolle hängen in Wolfgangs Bartgestrüpp, und mich plagt die schwere Verdaulichkeit eines ofenfrischen »pan blanco« und eines Säckchens mit Mandelkipferl noch lange, nachdem wir Sepúlveda schon verlassen haben.
    Jenseits des Bergrückens verschwindet die Stadt schnell hinter Bäumen und Hügeln, und Einsamkeit nimmt uns erneut auf Die Vorposten der Somosierra rücken näher, mit ihr eine umfangreiche Bewölkung, die uns zwei Stunden später in Riaza noch immer im Unklaren läßt, was sich daraus entwickeln wird. Riaza, ein größerer Marktflecken auf 1087 m Höhe liegt bereits am Übergang zur Sierra de Ayllón und gilt als typischer Gebirgsort dieser Region. Wir wollen es glauben, auch wenn’s dem Ort sichtlich an gebirgigen Merkmalen mangelt. Damit überzeugt uns eineinhalb Fahrstunden weiter das am Fuße einer Bergbarriere gelegene Städtchen Ayllón schon wesentlich besser. Ayllón hat Charme; einer der wenigen Orte, der bereits bei der Anfahrt den ersten Trumpf ausspielt und mit einer interessanten Ansicht neugierig macht. Ein kleiner Hit verbirgt sich schließlich hinter der Puerta del Arco, dem Eingang zu Ayllón, das wir von der meisterlichen, gotischen Fassade des Contreras-Palastes bis zur romanischen Kirche am arkadengesäumten Hauptplatz gassenweise abklappern und uns nicht

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