Mit Jockl nach Santiago
die wir dann mit Schlägen auf das Gehäuse für kurze Zeit wieder in Gang bringen. Längst wäre ein neuer »Bempl« fällig, doch woher nehmen? Wir hoffen auf Frankreich, bis dahin müssen wir das marode Ding noch am Leben erhalten.
Die 40 Kilometer nach Ripoll zeigen uns das Pyrenäen-Spanien von seiner besten Seite. Streckenweise erinnern die Landschaften an Alpenvorland, dann wieder an die gebirgige Schweiz. Kiefern- und Mischwälder wechseln mit Hangwiesen ab, und Kuhglockengeläut schallt in heimatlichen Klängen über die Täler. Einsame Gehöfte, wehrhaft wie jene von gestern, zeugen von der mageren Besiedelung beiderseits der Provinzgrenze Barcelona/Girona. Die Straße säumen Brombeerwälle, deren wie Unkraut wuchernde Hecken sich sogar an Baumstämmen emporranken, was mitunter recht kurios anzusehen ist, wenn dicke Trauben reifer Beeren an Nadel- und Laubbäumen über unseren Köpfen baumeln.
Gegen 18.00 Uhr endet unsere Tour im Tal des Río Ter auf einem Hotel-Campingplatz kurz vor Ripoll. Die Geschäftsführerin gibt sich dermaßen unleidlich und unhöflich, daß ich mir schon fast die Kehrtwendung vornehme. Auf meine Pro-forma-Frage, ob sie Englisch spreche, was uns die Verständigung erleichtern würde, ich aus Erfahrung aber nicht annehme, schnauzt sie mich in englisch an, ob ich denn Spanisch spreche. Auf meine Verneinung hin meint sie sinngemäß na also, wenn ich kein Spanisch könne, warum sollte sie dann Englisch sprechen, denn schließlich seien wir hier ja in Spanien. Womit sie recht hat, diese Beißzange. Und trotzdem sie mit ihren fremdsprachigen Gästen nur in einem xanthippischen Tonfall verkehrt, lebt sie in ihrem feudalen Schuppen augenscheinlich recht gut vom Tourismus. Als Wolfgang nach unserem Stadtbummel unsere eintägige Aufenthaltsverlängerung bekannt gibt in englisch selbstverständlich zeigt sich die Senora gemäßigt freundlich. Wie enttäuschend, dabei hätte ich gewettet, daß sie auch für Männercharme nicht empfänglich ist. Beißzangen sind eben auch nicht mehr das, was sie mal waren!
Zu Fuß spurten wir zwei Kilometer in die City von Ripoll; immer entlang oder Häuserzeilen in einem typischen 08/15-Vorort-Standart mit tristen Auslagen, trostlosen Bars hinter staubverschleierten Fensterscheiben und einer Anzahl Jugendlicher auf Mofas und Motorrädern, die ihre pubertierende Männlichkeit in wahren Henkersrasereien ausleben. Auch die Innenstadt von Ripoll mutet irgendwie grau, fremd, ja unspanisch an. Sie besitzt die Unpersönlichkeit einer Grenzstadt, sieht man vom einzigen Highlight, der romanischen Abtei Santa María, mal ab. Und läge Ripoll nicht günstig an einem der Hauptübergänge nach Frankreich, wäre ihr Schicksal das einer unbedeutenden Stadt in der hintersten Provinz. Santa Maria sorgt zumindest mit ihrem Prachtportal in katalanischer Romanik für Glanz in der Stadtmitte. Das ehemalige Kloster wurde nach mehrmaligen Zerstörungen neu errichtet; einzig das Portal aus dem 11. Jahrhundert überstand alle Wirrnisse und beeindruckt noch heute als ein Relikt kirchlicher Macht. Ein Glasvorbau schützt in etwas unpassender Weise den, in Art eines Triumphbogens konzipierten, Haupteingang vor weiteren Umweltschäden, denen er leider schon sehr zum Opfer gefallen war. Eben diese Glaswand mit ihren störenden Spiegelungen verhindert aber auch ein Betrachten des Portals aus größerer Entfernung, und man fühlt sich um den Genuß einer ganzheitlichen Wirkung der Abtei gebracht. Die Einmaligkeit der Bildhauerarbeit bleibt dessen ungeachtet einfach fantastisch. Eine Fläche von über 80 m2 findet in der meisterhaften Darstellung biblischer Ereignisse und Figuren ihre vollständige Auflösung. Das Portal ergreift vom Besucher im wahrsten Sinn des Wortes Besitz, denn eine vorhandene Sitzgelegenheit hinter der Glaswand nimmt man gerne in Anspruch, um in Ruhe und Entspannung das Werk in allen seinen Einzelheiten auszukosten.
Bis zur Dämmerung treiben wir uns im Getümmel der Gassen und Plätze herum und stellen dabei fest, daß die Stadt trotz all ihrer Unpersönlichkeit etwas an sich hat, was uns zumindest im Umkreis der Abtei einigermaßen anspricht. Für morgen nehmen wir uns eine genauere Erforschung dieses Phänomens vor. Dabei bleibt es dann aber auch, denn bei Gewitter und Regen verspüren wir nicht die rechte Lust unter grauem Himmel, vorbei an grauen Häusern durch dunkle Pfützen zu latschen. Wir legen einen Campingtag ein und üben Spanisch bzw. Katalan, um uns
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