Mit Jockl nach Santiago
durch Dalís Hirngespinste und Ideen unternehmen. Dabei wird sich zwar manch einer schlichtweg verarscht vorkommen, andere werden sich ausschütten vor Lachen, wieder andere werden erstaunt oder kopfschüttelnd an den ausgestellten Exponaten vorbeigehen, und ein Rest ausgesiebter Experten wird wahre Kunst darin erkennen wollen. Bei unserem ersten gemeinsamen Urlaub haben wir bereits Bekanntschaft mit den dalischen Geistesblitzen im Teatro Principal geschlossen. Unserem Dasein haften seither surrealistische Ungereimtheiten an - man denke nur an Jockls Einzug in Wolfgangs Badezimmer -, deshalb verzichten wir diesmal leichten Herzens, uns ans Ende einer entmutigend langen Warteschlange zu plazieren. Statt dessen sondieren wir die Souvenirflut rund um das Museum - Dalí in aller Munde und auf allem, worauf die vier Buchstaben seines Namens Platz finden. Doch mag man über Dalí und die Auswirkungen des um seine Person betriebenen Kultes denken was man will, er gehört unangefochten zu den großen Künstlern seiner Zeit und schuf Werke, die nicht nur zum bloßen Anschauen animieren. Das skurrilste Werk jedoch hinterließ er der Nachwelt mit der Biographie seines Lebens. Demnach wird Figueres ihren Kassenmagneten Dalí als Brennpunkt und Aufmacher der Stadt gewiß in beweihräucherten Ehren halten. Die Hitze schwillt mittlerweile zur Unerträglichkeit an, in der wir uns zu den letzten Kilometern aufschwingen. Eine knappe Stunde geben wir Vollgas Richtung Llangá. Die Luft riecht bzw. stinkt nach Meer und Aas, und von weitem sichten wir die Bettenburgen der Costa Brava. In Garriguella, 14 Kilometer vor Llangá, ziehen wir unsere eigene Zweibettburg auf und richten uns für einen zweitägigen Aufenthalt ein. Zeit genug für kleine Reparaturen, Großwäsche, Routennachtragungen auf unseren diversen Karten sowie um zwischendurch einigen Teilen unseres Hausstandes nachzulaufen, die ein unbändiger Wind vom Meer über den halben Campingplatz treibt.
Unseren Rasttag verbringen wir natürlich nicht däumchendrehend in phlegmatischem Camperdasein. Außerdem gibt es unweit von uns, in der Sierra de Roda, im nördlichen Küstenabschnitt der Costa Brava, hoch in den Bergen, über den blauen Buchten des Mittelmeeres eine ansehnliche Abtei in selten schöner Lage, der nebenbei die Wiege der katalanischen Romanik zugeschrieben wird. Dabei handelt es sich um das Kloster San Pedro de Roda, eine mächtige Anlage mit Türmen und hohen Mauern, insgesamt einem Castillo ähnlicher denn einem Kloster.
Die Anfahrt von Garriguella nimmt zirka eine Stunde in Anspruch und zweigt in Vilajuiga konstant ansteigend in die Bergwelt ab. Die spärliche Morgensonne hat bald ihr kleines Blendgefecht mit aufgewühltem Gewölk verspielt und spätestens bei San Pedro, das wir in einem 15-minütigem Fußmarsch abseits der Straße erreichen, regnet es - doch nur wenige Minuten. Der graue Himmel über dem dunklen Meer tut dem traumhaften Anblick des Klosters keinen Abbruch, das wie heller Fels aus dem Dunkelgrün des umliegenden Waldes blitzt. Leider finden wir uns neben anderen wenigen Besuchern vor geschlossenen Pforten, was zwar bedauerlich ist, uns aber nicht an der Weiterfahrt nach Port de la Selva hindert. Bei der Talfahrt hinunter zur Küste stellt sich uns auch die Rückseite von San Pedro vor - eine nicht unbedingt repräsentable Verschachtelung schmucklosen, restaurierungsbedürftigen Gemäuers. Vieles, was vorne feudal in Szene gesetzt aussieht, endet hintenrum weit weniger wirkungsvoll. Demgemäß schwappt unsere nachwirkende Begeisterung nicht über den Rand hinaus, und so nähern wir uns ruhigen Blutes Port de la Selva. Dort überlassen wir uns ziel- und planlos dem Hafenleben und den Touristenmassen. Einzige Freude unter all diesem Souvenirrummel empfinde ich beim Anblick der hübschen Bucht mit ihrem geradezu unglaublich kristallklaren Wasser. In den kleinen Gassen pilgern von Kaufzwang geplagte Urlaubskonsumenten in traubigen Horden hin- und her und warten auf die vorübergehende Erlösung von ihrer Langeweile durch den Sturm an die gedeckten Mittagstische. Die spanische Gastronomie belästigt mit nicht wegzudenkenden heimatlichen Schnitzel-mit-Pommes-Düften, die das Geruchsempfinden allmählich lahmlegen, und »Guten Tag« leierndes Personal in Geschäften und Bars katapultiert uns im Geiste mehrere hundert Kilometer weit gegen den Norden in deutsche Gefilde. Auch wenn ich den gewinnbringenden Aspekt dieser Tourismus-Ausgeburten in
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