Mit Jockl nach Santiago
atmosphärischen Zunder. Anderswo läuten Abendglocken, wir bevorzugen Blitz und Donner zum Tagesausklang, den wir diesmal auf einem lärmigen, fast ausgebuchten Campingplatz nördlich der Stadt Solsona verbringen.
Unser Alltag am Campingplatz: Ein Haufen Neugieriger umringt unseren Jockl, mindestens ebenso viele verfolgen ungeniert unsere Packarbeiten, als wären wir das Fernsehhauptabendprogramm. Ihre Langeweile muß sie schon übermächtig plagen, daß das Einrollen von Iso-Matten, Einsammeln von Häringen und Aufwickeln von Zeltschnüren dermaßen interessant sein kann. Nun, vielleicht kursieren auch Wetten unter den Campinggästen - von denen wir natürlich nichts ahnen - ob und wie wir dazu imstande sind, unseren ganzen sperrigen Hausstand in Jockls Heck unterzubringen. Und jetzt warten sie allesamt gespannt wie die Sache ausgehen wird. Keine Frage - unsere Schlichtfertigkeiten und raffinierten Verstauungskünste siegen immer, wenn nötig mit Gewalt. Zuweilen sorgen sie für richtige Aha-Erlebnisse unter unseren Zuschauern - gewußt wie! Zur allgemeinen Demonstration arbeiten wir dann stumm Hand in Hand wie programmierte Roboter; dabei schmilzt unser Lager wie eine Schneeburg in der Sonne und wandert Teil für Teil maßgerecht in die Kiste - eine Ruckzuckaktion, die uns schon öfters anerkennendes Nicken einbrachte. Heute müssen wir darauf verzichten, denn in der Vormittagshitze trödeln wir sinnlos herum, abgelenkt von pinkelfreudigen Hunden, die an Jockls Reifen bereits zur Genüge ihre diversen Spuren hinterlassen haben.
Als wir gegen 11.00 Uhr in Solsona eintreffen, hat sich unsere Lustlosigkeit bald verflüchtigt, denn die Stadt gehört zu den vielen »Entdeckungen« unserer Reise. Sie wirkt auf den ersten wie auf den letzten Blick sehr unspanisch mit ihren kleinen, intimen und von mittelalterlichen Häusern umstanden Plätzen, mit ihren Brunnen und Denkmälern und ihrem bunten Blumenschmuck. Die hohen Häuser halten die Kühle lange Zeit in den Gassen und machen einen Spaziergang selbst zu mittäglicher Zeit noch halbwegs angenehm. Unter etlichen vorspringenden Dächern grinsen Fratzen und spaßige Gesichter geschnitzter Dachbalken zu uns herunter, die wie riesenhafte Wächter das Geschehen zu ihren Füßen beobachten. Es kann schon passieren, daß man in den vielen Winkeln, Ecken und Häuserfluchten vorübergehend mal die Orientierung verliert, obwohl sich jede Gasse durch auffällige Baulichkeiten oder sonstige Merkmale von der anderen unterscheidet. Insgesamt lernen wir Solsona als eine sehr attraktive und lebendige Stadt kennen mit einer Vielzahl an Sehenswertem, die in keinem Reiseführer nachzulesen stehen.
Am frühen Nachmittag werden unsere Schritte müder und wir sehnen uns in der aufblühenden Hitze wieder nach Fahrtwind. Die rund 50 Kilometer bis Berga führen zwar überwiegend durch Kiefernwälder, aber von Schatten kann deswegen noch lange nicht die Rede sein. Die Grenze zwischen den Provinzen Lleida und Barcelona wird zum nennenswerten Ereignis auf einer Strecke ohne Höhepunkte; gelegentlich einige wilde Felsformationen, sonst nur Wald und kaum Ortschaften. Gegen Berga zu fällt allerdings ein Stilwechsel im Häuserbau auf. In ihrer trutzigen, klobigen Architektur nehmen sich die wenigen einsamen Gehöfte fast herrschaftlich aus. Mit einem turmartigen Anbau an einer Seite, einer breiten Fassade mit zwei oder drei Rundbogenfenstern unter dem Giebel, die äußeren Ecken, sowie Fenster und Tore mit andersfarbigem Gestein edel »verbrämt« überschauen diese kleinen Festungen inmitten blühender Gärten recht verteidigungsstark die Besitzungen ihrer Bewohner.
Und endlich taucht mit dem letzten Stoßseufzer der Langeweile einige Kilometer vor uns Berga auf, eine äußerlich unbeeindruckende Stadt an den Ausläufern der Serra des Tossals. Einer betrüblichen Einfahrt, vorbei an unter Straußenstaub einheitlich ergrauten Stadthäusern, folgt die Bekanntschaft mit einer lebhaften Altstadt, auf deren gedrängte Enge die Reste einer Burg herabschauen. In Dutzenden kleinen Geschäften der Innenstadt finden wir wieder mal alles, was uns interessiert und wir mangels Platz und Geld wieder zurücklegen oder daran vorbeigehen müssen. Nur Wolfgang sprengt diesmal unseren Tagesetat mit dem Kauf neuer Lederschuhe. Schon seit Burgos läuft er in löchrigen Ruinen rum, die bei näherer Begutachtung zwei torpedierten Booten ähneln. Diesen unverhofften Besitzzuwachs und das Erfolgserlebnis einer
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