Mit Jockl nach Santiago
Jockl parkt laut Anweisung auf dem Schotterweg, um nicht zu sehr in die Erde einzusinken, da Regengüsse der letzten Tage den Boden stark aufgeweicht haben.
Monotones Geplätscher beendet eine fast schlaflose Nacht. Beharrlich trommelt der Regen gegen die Zeltplane und meine kaum vorhandene gute Laune verflüchtet sich endgültig. Den Rest gibt mir der Zeltabbau, als wir die ganze Campingausrüstung in nassem beziehungsweise feuchtem Zustand verstauen müssen. Eine motzige Quengelei meinerseits und unwirsche Antworten von Wolfgang zeigen, wie wenig belastbar und ausgelaugt wir eigentlich noch sind. Camping bei Regen - das haben wir schließlich schon oft genug mitgemacht, könnte man meinen, als daß deswegen gleich die Stimmung umkippen müsste. Irgendwie kriegen wir die Dinge und uns selbst vorübergehend wieder in die Reihe und schwingen uns auf nach Donaueschingen, wo wir uns in einem warmen Café Käsekuchen und Milchkaffee erträumen. Wir bekommen, was wir wollen und bleiben auch lange dankbare Gäste, ehe wir uns wieder nach draußen wagen.
Im Bauhaus am Stadtrand bereichern wir unseren Hausrat um eine geräumige Werkzeugkiste, die uns in Zukunft als Minispeisekammer dienen soll. Die Freude über unser Schnäppchen währt nicht lange. Jockl, der Strolch, weigert sich plötzlich anzuspringen und kann auch durch nichts dazu bewegt werden, egal welche Hilfen Wolfgang ihm auch anbietet. Keine Ahnung, was die Ursache für seine Verstimmung sein könnte, der Regen sicher nicht. Aber schließlich braucht gut Ding nur Weil’, und einige Minuten später läßt Jockl ohne weiteres Zutun seinen wunderbaren Bass erdröhnen - so vernehmlich laut, daß uns die Aufmerksamkeit aller Bauhauskunden auf dem Parkplatz sicher ist. Wie auf Kommando fliegen die Köpfe in unsere Richtung, wer da solchen Krach veranstaltet. Jetzt aber nichts wie weg, ab durch die Mitte und hinauf auf die Rennbahn nach Löffingen.
Aus dem Nieseln entwickelt sich eine ordentliche Dusche. Bis zur Unkenntlichkeit mit Kapuzen, Kappen, Jacken, Regenhosen und Gummistiefeln regendicht abgeschottet, die Köpfe zwischen die vorgezogenen Schultern gesteckt, rattern wir geradewegs in die Regenfront hinein. Bald gießt es wasserfallartig, und das Fahren auf der Bundesstraße, inmitten regen Verkehrsgeschehens, mit uns ständig überholenden Fahrzeugen, wird zum Horror. Trotz schlechter Sicht rasen Schwerlaster in Zentimeterabständen an uns vorbei; ein mit Baumstämmen beladener Lkw schwenkt so knapp wieder auf die rechte Fahrbahn vor uns ein, daß wir unwillkürlich die Köpfe einziehen, um eine mögliche Kontaktierung mit einigen der Rundhölzer zu vermeiden - Holz auf Holz, das gäbe eine kolossale Splitterei. Sichtlich angespannt, doch ohne Anzeichen von Nervosität bringt uns Wolfgang Kilometer für Kilometer vorwärts; ein echtes Bravourstück unter diesen Voraussetzungen, und für das Gezeter hat er ja mich. Doch spätestens in Neustadt fühle ich mich auch ohne Crash schrottreif. Steif gefroren steigen wir vom Jockl und bewegen uns roboterartig ins nächst beste Café. Es muß etwas mit unserem ungelenken Auftreten und Aussehen zu tun haben, daß uns das Kaffeehauspublikum anstarrt wie zwei Versprengte einer Invasion Außerirdischer und der Gesprächs-Pegel für einige Sekunden merklich absinkt. Erst als wir uns aus unserer vielschichtigen Gewandung schälen und sie in uns zwei der ihrigen erkennen, nimmt das Tassengeklapper und angeregte Gemurmel seinen Fortgang. Die Kellnerin kommt, bald auch der bestellte Kuchen samt Kaffee und wenig später auch ein gesprächiges älteres Pärchen, das uns kurze Zeit von den nassen Vorkommnissen draußen ablenkt.
Solange wir im Café saßen, hatte es zu regnen aufgehört, aber nun träufelt es erneut mit einer fast bösartigen Hartnäckigkeit, die uns jeden Elan nimmt. Keine 40 Kilometer haben wir heute abgespult, trotzdem entschließen wir uns nach einer deprimierenden Regenrunde durch das Städtchen, hier ein Zimmer zu nehmen. Zwei nette Damen in der Kurverwaltung vermitteln uns ein komfortables und günstiges Nest für die Nacht, das wir wenige Minuten später auch gleich beziehen. Danach erledigen wir, durch die Pfützen der Straßen patschend, dringende Einkäufe. Inzwischen regnet es ohne Unterlass, und wir freuen uns über unser trockenes Quartier, das wir spätabends noch in eine Werkstatt umfunktionieren, um aus der erstandenen Iso-Matte zwei dicke, bequeme Sitzpolster zu kleben und zu
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