Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
Vom Netzwerk:
uns; das Münster zeichnet sich schon von weitem gegen den Himmel ab und begrüßt uns mit seinen umliegenden Häusern wie ein kleiner Festungskomplex. Der Wind tobt und reißt die Wolken in groben Fetzen über das Land, und wir retten uns sozusagen für ein paar ruhige Minuten ins Münster mit seinem fantastisch geschnitzten Hochaltar und den berühmten Wandmalereien Martin Schongauers. Trotzdem hält uns nichts und niemand mehr allzu lang; wir wollen über den Rhein - die deutsch/französische Grenze -, um diesen Tag auf französischem Boden beschließen zu können. Die offizielle Anreise und die damit verbundene Eile hat somit ein Ende. Ab jetzt läuft unser vorbereitetes Sightseeing- und Urlaubsprogramm.
    Mit Eroberungsgefühlen im Bauch passieren wir die international beflaggte Rheinbrücke - Österreichs Wimpel fehlt natürlich - und folgen gleich darauf einem Campinghinweis auf die Rhein-Insel, wo wir uns für die beiden ersten Nächte in Frankreich niederlassen. Das heißt, es dauert ein Weilchen, bis man uns einläßt, denn der Platz hat ab 18.00 Uhr geschlossen, und wir stehen erst um 18.40 Uhr vor der Schranke. Ein eigenartiger Hausbrauch, ausgerechnet einen Campingplatz mit den Hühnern schlafen zu schicken; jeder französische Dorfladen hat länger geöffnet. Obendrein fängt es wieder zu regnen an, und wir müssen uns sputen, unsere Hütte bezugsfertig zu machen.
     

IV. Bonjour, mon petit Jacques!
     
    Rund 44 Fahrstunden: Alsace (Elsaß) - Franche-Comté - Bourgogne (Burgund)
     
     
    Ein Vogelkonzert weckt uns am Morgen - ein sehr feuchter und stark bewölkter Tagesbeginn. Die Wiese matscht unter unseren Schritten vom ergiebigen Nachtregen, und die Gummistiefel bewähren sich allmählich als ständige Einrichtung. Viel fehlt nicht mehr, um sich auf dem Jockl sitzend eine Fahrt auf den Kartoffelacker auszudenken.
    Ganz so bäuerlich verläuft unsere Tour aber dann doch nicht, als wir bei leichtem Nieselregen Neuf-Brisach (Neu-Breisach) anpeilen, die Musterverteidigungsanlage des genialen Festungsbaumeisters Vauban. Leider läßt man sich zu gern von bekannten Luftaufnahmen vorfreudig irreführen, die die Festungsstadt innerhalb ihrer sternförmigen Verteidigungswälle mit ihren dreifachen Schanzen und der schachbrettartigen Anordnung der Straßenzüge um einen großen quadratischen Platz zeigen. Als Vaubans ureigenstes Planungskonzept liegt das Bollwerk als militärisches Gegenüber von Alt-Breisach in völliger Ebene und wird dem Besucher somit weder in Form noch Ausmaß zur Gänze ersichtlich. Wir stiefeln durch das ungemähte Gras zwischen den Schanzen herum, welche an der Außenseite Vegetation begrünt und die sich deshalb kaum von der Landschaft abheben und den Blicken der Vorbeifahrenden entziehen. Und während unsere freudige Erwartung langsam im Niesel verwässert, wandern wir die glatten Mauern entlang, die in regelmäßigem Zickzack die Stadt umfassen. Auch mit dem Vauban-Museum im Belfort-Tor gelingt uns kein Glückstreffer. Das Museum sollte schließen, das würde dem Angedenken des großen Baumeisters mehr zur Ehre gereichen als diese lieblose Aufbewahrungsanstalt alter Pläne beziehungsweise deren Kopien. Doch was kümmern einen toten Vauban die Gedenkstättenhalbheiten seiner Nachwelt; zweifellos hat er sich als Architekt selbst die besten Denkmäler gesetzt. Nach wie vor werden also Ansichtskarten von Neuf-Brisach aus der Vogelperspektive der weitaus beste Verkaufsschlager der Stadt bleiben. Schade darum!
    Leicht enttäuscht schlendern wir zum Jockl und verabschieden uns Richtung Colmar, dem zwischen Rhein und Vogesen gelegenen Wirtschafts- und Kulturzentrum des Oberelsaß. Dazu wählen wir kaltblütig die N415, um raschmöglichst die 15 Kilometer bis ins Zentrum der Stadt zu gelangen. Und so wie sich die Wolken am Himmel etwas lichten und zeitweise sogar einen Sonnenstrahl durchlassen, so erhellt auch die Stadt Colmar unsere verhangenen Gemüter. Wir parken den Jockl mitten im Zentrum beim Martinsmünster und vertrollen uns zu einem ausgedehnten Bummel durch die Altstadt, mit Sicherheit einer der vortrefflichsten historischen Stadtkerne im Elsaß, mit einer ungeahnten Fülle alter Häuser, darunter jede Menge Fachwerkenes. Im Winkelwerk kleiner Gassen begegnet man der Vergangenheit auf Schritt und Tritt in Form reichgestalteter Fassaden aus verschiedenen Epochen und Häusern, die Geschichte schrieben. Zu nennen gäbe es ihrer viele, doch immer fallen dieselben vier oder fünf Namen,

Weitere Kostenlose Bücher