Mit Jockl nach Santiago
schnitzen.
Geballtes Gewölk zieht am Fenster vorbei und bereitet wenig Freude beim Erwachen, außerdem pfeift ein ordentliches Windchen - ein Tag und ein Wetter wie geschaffen, um im Bett zu bleiben. Doch da wird nichts draus, was wir gestern verbummelt haben, müssen wir heute einholen. Aber wir haben die Rechnung ohne unseren Jockl gemacht, der wieder nicht anspringen will. Wolfgang werkt eine gute Stunde herum, nimmt den halben Traktor auseinander, der Zimmerwirt gibt Starthilfe - nichts zu machen. Gott sei Dank regnet es wenigstens gerade nicht, als wir so ratlos dastehen mit dem noch uneingeladenen Gepäck und dem am Boden verstreuten Werkzeug - ein Bild zum Lachen, wenn uns danach zumute wäre. Irgendwann packt Wolfgang das Werkzeug wieder ein mit dem Hinweis auf sein Latein, mit dem er am Ende wäre. Nochmals drückt er den Startknopf und siehe da, das launische Kerlchen springt an, als sei nichts gewesen. Jetzt aber ruckzuck - ein letzter Dank an unseren hilfsbereiten Vermieter und ab geht die Post mit einem Abstecher zu einer örtlichen Landmaschinen-Werkstatt. Jockls sporadische Gebrechen geben uns zu denken; vielleicht brütet er gerade einen größeren Defekt aus, und damit wollen wir uns nicht länger verunsichern. Schließlich klärt man uns dort auf, daß die Anlaßschwierigkeiten zerbröselte Starter-Kohlen verursachen und es nur eines beherzten Schlages gegen den Starter bedarf, um kontakthinderliche Kohleteilchen aus ihrer Verkeilung zu lösen, und schon würde das erstrebte Geknatter wieder ertönen. Ein Anruf beim Vöggenauer Franz bestätigt die Diagnose, also geben wir uns erst einmal erleichtert zufrieden, wenn auch mit einem kleinen erstaunten Seitenblick auf Jockls Reifenprofil; hat das nicht schon recht gelitten in den letzten Tagen? In der Annahme einer Sinnestäuschung behält noch jeder von uns die vermeintliche Entdeckung für sich, aber der Keim ist ausgesäht, und er wird im Auge behalten.
Jetzt heißt es erst einmal ein paar Kilometer machen; mit 20 km/h Höchstgeschwindigkeit Richtung Titisee und Hinterzarten und hinein ins Höllental, wo uns bei Falkensteig ein überhitzter Motor zwangsläufig ein kleines Steh-Picknick aufnötigt. Eine Dreiviertelstunde Vollgas kann ja wohl nicht die Ursache für das Geköchl sein; da kenn sich einer aus. Doch nicht genug, an der nächsten Tankstelle nach dem Höllental streikt Jockl erneut. Seinen Tank randvoll gefüllt, zeigt uns der Halunke seelenruhig die kalte Schulter und nicht die geringste Bereitwilligkeit anzuspringen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, ihn von den Zapfsäulen wegzuschieben, um den Tankstellenbetrieb nicht zu blockieren. Alsdann kümmern wir uns etwas intensiver um seine Störrigkeit: »Hartiguck, pock di Hock aus!« Jeder, der unser Tun bis dahin mit einiger Neugier verfolgt hat, wird angesichts der Axt unsere technische Versiertheit zweifellos in Frage stellen und sich umso mehr wundern, als ein doppelter Hieb auf den Starter nicht die brutale Zertrümmerung desselben, sondern Jockls motorische Wiederauferstehung bewirkt. Welch ein wert- und wirkungsvoller Tipp, der noch ungezählte Male unsere Weiterfahrt sichern wird.
Bei Kirchzarten trennen uns dann nur mehr wenige Kilometer von Freiburg, nach München die zweite Stadtdurchquerung und für mich als Navigator immer ein innerlicher Spießrutenlauf. Nur ja kein Schild übersehen, über allen Kanaldeckeln den Hintern vom Sitz lüften, ein Auge auf Stadtplan oder Landkarte und mit dem anderen nach Tabakgeschäften, Postkästen und Tourist-Informationen Ausschau halten, und wenn wir vor der Wahl stehen, links oder rechts abzubiegen, den richtigen Riecher dafür haben, um nicht in einer Sackgasse zu landen. Freiburg nehmen wir im Sturm, dafür verzetteln wir uns außerhalb der Stadt völlig und stehen irgendwann vor dem Schild »Autostraße«. So ein Mist, also zurück bis zur letzten Kreuzung und auf Umwegen, die wir kaum mehr nachvollziehen können nach Tiengen. Hier legen wir eine Verschnaufpause ein und degradieren mit unserer wenig noblen Kostümierung ein Feinschmeckerlokal zum Kaffeeausschank. Der Hunger nach Wärme macht gnadenlos, da vermag auch das säuerliche Gesicht und die lasche Bedienung des Chefs des Hauses nichts zu ändern. Übrigens der Kaffee nannte sich wohl nur der Farbe nach so, und der armselige Käsekuchen war in der Tat Käse, also nicht gerade von Gourmet-Qualität.
Die restlichen Kilometer bis Breisach am Rhein bringen wir bald hinter
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