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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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beziehungsweise Pensionsgäste oder was auch immer. Folglich heißt das für uns: Hintern zusammengeklemmt und weitergesucht.
    In Aitrach schließlich werden Bettenträume für uns wahr, und wir können im »Gasthof zum Löwen« ein angenehmes Zimmer beziehen. Nichts wie raus aus den Klamotten und rein in die Kuschelfedern.
     
    Sobald es unsere müden Gebeine zulassen - mir ist, als läge eine Tennengebirgeüberquerung hinter mir - taumeln wir zum Frühstück. Das ungefederte Sitzen auf der Rückbank macht sich allmählich sehr deutlich in Form von Kreuzschmerzen bemerkbar. Wiederum belagern mich Bedenken, ob ich dieser Belastung wohl monatelang gewachsen sein werde. Wolfgang schaukelt in seiner stoßgedämpften Sitzschüssel und hat gut lachen; und solange ich mich nicht dazu überwinden kann, den Jockl zu steuern und mir damit auch den Genuss einer zeitweisen Bandscheibenschonung zu verordnen, werde ich mein hin- und hergerütteltes Kartoffelsackdasein eben in Kauf nehmen müssen.
    Aber erst einmal gibt es blauen Himmel, unter dem wir auf der »Schwäbischen Bäderstraße« Richtung Bad Wurzach tingeln. Das Land steht in Blüte, überall riecht es nach Frühling, und das Auge badet förmlich in frischen Farben. In den feiertäglich aufgeräumten Orten entlang unserer Route begegnen wir Menschen beim Kirchgang. Später locken uns noch vor dem Mittagsgeläut da und dort aus weit geöffneten Fenstern die ersten verführerischen Düfte von Braten, Soßen und Gulasch zum Mitschmausen an einen imaginären, reichgedeckten Tisch. Erstmals durchflutet mich ein vages Gefühl von Urlaub, ob nun gerade wegen der im Geiste verspeisten Knödeln oder aus purer Laune des Augenblicks, das sei dahingestellt. Und wie im Leben, so gibt es auch in diesem Urlaub für vieles ein erstes Mal, so auch, daß uns ein einzelner Radfahrer im schweißtreibenden Bergaufsprint überholt. »Hoit, des geht vei net!« ruft ihm Wolfgang protestierend zu. Doch der schwer Hechelnde zeigt uns schon seinen schweißnassen Rücken und seine durchtrainierten Radlerwadeln. Wir tragen die Niederlage mit Fassung; nur ein Unwissender kann Jockl die Schmach antun und seinem Alter nicht den nötigen Respekt zollen. Weit abgehängt halten wir trotzdem unsere Spur, vorbei an langen Rechtecken gelber Rapsfelder, an weidenden Kühen und Pferden, vorbei an dichten Fliederbüschen, deren schwere Blütenpracht jedes Mal einen Schleier himmlischen Duftes über uns wirft, vorbei an Häusern, aus denen Geschirrgeklapper dringt und sonnenfaule Katzen auf Baikonen sich schnurrigen Träumen überlassen.
    In Bad Schussenried, einem adretten Städtchen mit sehenswerter Klosterkirche, die wir natürlich besichtigen, gönnen wir uns Leckeres aus der Konditorei; für Jockl suchen wir eine Tankstelle. Und genau dieses Suchen steht am Beginn einer Beinah-Dauerfahndung in beliebig vielen Varianten, die uns in den nächsten Monaten nebenbei beschäftigen und für Abwechslung im Reisealltag sorgen wird. Jeder, der länger im Ausland unterwegs war, weiß wovon ich spreche: die Suche nach einem Campingplatz, einem Bankomaten, einem bestimmten Fachgeschäft, einer Toilette, einem Café, einem Postamt, einer Werkstätte, einer Touristeninformation und hundert anderen Dingen mehr. Und die Suche setzt sich in der eigenen Tasche und im eigenen Zelt fort: »Host du mein Tabak gsegn?...Sog amoi, wo handn die Schlüssl hikemma?...Jetzt find i den zweitn Sockn scho wieda net!...Siagst du meine Schlapfh wo umadumliegn?...Herrschoft, woast du wo i di neichn Füm higrammt hob?...« Man entwickelt sich zum Ewig-Suchenden und nicht unbedingt immer zum Glücklich-Findenden.
    Nun, wir drei werden eine Fahrstunde später in Saulgau tankstellenfündig, so steht einer schier endlosen Fahrt bis kurz vor Donaueschingen nichts mehr im Wege. Die Städte Mengen, Meßkirch, Tuttlingen und Immendingen liegen bereits hinter uns, als wir bei Pfohren von der B33 Richtung Riedsee abbiegen. Leicht angefroren kommen wir dort gegen 20.30 Uhr am Campingplatz an. Nach bald acht Stunden am Traktor reagiert mein Kreuz sehr beleidigt. Selbst sanften Schrittes bereitet es mir Schwierigkeiten mich fortzubewegen, und bei jeder kleinsten Erschütterung entweicht mir ein unterdrücktes Gestöhne. Meine Güte, das kann ja heiter werden. Möglicherweise kann mich Wolfgang morgen abend tatsächlich wie einen Kartoffelsack von der Kiste hieven, weil ich zu keiner Regung mehr fähig bin. Nichtsdestotrotz steht bald unser Zelt, und

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