Mit Jockl nach Santiago
verstimmt.
Zwölf Kilometer nach Ambialet wechseln wir bei Villeneuve auf die andere Flußseite, um in Trebas eine längere Pause einzulegen. Da uns das Fußballspiel, dem ein wenig enthusiastisches Publikum beiwohnt, ebensowenig begeistert, unternehmen wir einen kleinen Spaziergang durch das Ufergebüsch des Tarn, weiter zu den nahen Maisfeldern hinter dem Ort und wieder zurück zum 2:0 für Trebas. Im Gastgarten des Dorfwirtshauses strecken wir alle Viere von uns und geben uns der allgemeinen Sonntagslethargie hin. Klock! - Da plumpst einem Gast am Nebentisch eine Kastanie auf den Kopf. - »Heabst is!« - Das Gelächter ringsum über den Volltreffer reißt uns etwas aus dem Wachschlaf, in dem wir mit leeren Pupillen das Nichts fixieren. Also soviel steht fest, bisher bot das Tam-Tal eine Spur zuviel an Gleichförmigkeit, um uns zu weiteren Kilometern entlang seines Ufer zu animieren, so einigen wir uns versuchsweise zu einer Überlandpartie nach Millan, wo wir morgen Abend wieder zum Tarn stoßen wollen, um von dort unsere zweitägige Fahrt durch die Tarn-Schluchten zu starten.
In Trebas nehmen wir die D76, die aus dem Tal hinaus nach Requista führt und bereuen unseren Entschluß keine Sekunde. Oben angekommen eröffnet sich uns eine Landschaft, die förmlich zum Stehenbleiben und stillen Schauen zwingt. Ein grenzenloses Hügelmeer, unterbrochen von felsigen, canyonartigen Taleinschnitten, weitet sich gegen den südlichen und östlichen Horizont und entschwebt dort allmählich im Dunst. Unmittelbar vor uns im Norden und Westen erinnern uns hellgrüne Grashügel und Hänge, an denen Wald und Buschwerk bis in die Täler reichen unweigerlich an zauberhafte Gegenden im britischen Wales. Ein weich modelliertes Gelände wölbt die Wiesenmatten mit Dellen, Senken und Einbuchtungen, in denen sich das Licht fangt und in langfließenden Schatten den Ausgleich sucht. Ein unbeschreiblich befreiender und großartiger Anblick, den wir unserer kurzfristigen Routenänderung verdanken. Schwer vorzustellen, daß ich mich noch vor einer halben Stunde wie nach einem Kinnhaken fühlte, so frisch wiederauferstanden, renne ich nun herum. Ein leichter Wind trägt den Duft blühender Kleefelder zu uns; in den Pappeln und Edelkastanien am Straßenrand klimpern unter dem Lufthauch zitternde Blätter papierene Töne. Und zu allem Segen gedeihen hier Brombeeren im Überfluß; höchste Zeit und beste Gelegenheit, uns wieder einmal »an Grausn onzfressn«.
In Réquista werden wir gleich noch einmal angefressen sein, denn hier gibt es entgegen den Beschreibungen unseres Campingführers keinen Campingplatz, hat es vielleicht auch nie gegeben. Als wir nach einiger Herumsucherei einen Bewohner um Auskunft bitten, mustert uns dieser, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank oder nach dem Maison de Plaisier gefragt. Campingplatz?!? - Nein, so etwas gäbe es hier nicht. In den Augen des irritierten Mannes erwecken wir, auf einem Traktor sitzend und nach einem nicht existenten Campingplatz fragend, wohl oder übel einen geistig angeschrammten Eindruck. Was Wunder, der Herr entfernt sich schnell, sehr schnell. Also packen wir unseren schlauen Campingführer weg und überlassen dem Zufall die Sorge für ein Nachtquartier. Bis dahin trödeln wir durch herrliche frühabendliche Lichtstimmungen. Die zuvor noch weißen Wölkchen legen an Farbe und Volumen zu, aus den Tälern steigt Nebel und mischt sich mit der fernen Diesigkeit zu einem romantischen Tagesausklang.
In Villefranche-de-Panat schlägt der Zufall tatsächlich zu und dirigiert uns zu einem Campingplatz direkt an einem See. Saisonende auch hier; die Rezeption hat bereits dichtgemacht, trotzdem campiert auf dem Platz noch eine Handvoll Leute, darunter nun auch wir. Die in der Dämmerung vom See heranschleichende Kühle versuchen wir mit einer Reihe »Heisser« Tassen, mit denen wir uns regelrecht ablitern, noch ein wenig vom Leib zu halten, doch ändert es nichts daran, daß wir zu später Stunde wie in einem Tiefkühl-Iglu liegen.
Die Glitzebitz-Sternennacht ist so klar wie kalt und der folgende Morgen so sonnig wie taunaß. Vor einer Bar in Villefranche räkeln wir uns entspannt, während wir auf unsere Morgensuppe warten: zwei Pötte Milchkaffee, in die wir knusprigfrische Croissants tauchen und solange darin baden, bis sie sich zu löffelbarem Matsch auflösen. Uns des wohligen Augenblicks bewußt, sitzen wir nach einer ungemütlichen Nacht in der wärmenden Sonne. Der makellos
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