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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Pfarrhausatmosphäre in die lichte Freiheit vor der Kathedrale. Und die genießen wir am besten in einem nahen Straßencafé. Nachdem wir uns vergewissern haben, daß sich unser Jockl im Parkverbot nach wie vor wohlfühlt, flanieren wir durch Albis bevölkerte Gassen, wo Konsum und Kitsch Ausgleich und Distanz zu Kunst und Kultur schaffen. Als gegen Abend der Himmel zuschleiert, erklären wir den ersten Teil des Albi-Kapitels für beendet.
    Zwei Kilometer östlich des Stadtzentrums nimmt eine freundlich-saloppe Madame unsere Personalien auf, und wir suchen uns auf dem schattenreichen Camping-Gelände ein geeignetes Plätzchen für zwei Nächte.
     
    Nieselt es oder netzt nur starkes Nebelheißen unser Zelt? Auf jeden Fall ist es angenehm warm, deshalb behalten wir unsere Pläne für den Tag bei: ein neuerlicher Besuch von Albi, daran anschließend ein Ausflug in die 25 Kilometer entfernte Bastide Cordes. Den Anfang macht jedoch ein unaufschiebbarer Großeinkauf in einem Super-Mega-Einkaufscenter unweit des Campingplatzes. Vom Motoröl, über Briefmarken, Reiselektüre, Straßenkarten, Gaskartuschen bis zur Prinzenrolle finden wir alles, um unsere Ausrüstung bis ins Detail zu ergänzen und unsere diversen kulinarischen Gelüste für voraussichtlich einige Tage zu stillen.
    Als wir in Albi eintrudeln, gibt sich die Stadt noch recht verschlafen. Einige Geschäfte und Cafés öffnen erst. In einem davon, vis-á-vis der Kathedrale schlürfen wir unseren belebenden Morgentrunk. Dabei wandern unsere Blicke nahezu pausenlos zur Kathedrale hinüber, die selbst unter dem grauen Himmel nichts an Faszination verloren hat. Wir können nicht anders, als sie zum wiederholten Male zu umrunden und dabei mit halber Genickstarre endlose Blicke entlang Mauern und Turm in pfeifende Höhen zu schicken. Unsere weitere Runde führt durch die halbe Stadt, unter anderem zum Kloster Salvi mit seinem schönen Kreuzgang, zum Hôtel de Reynes mit seinem ganz bezaubernden, von einem Treppenturm und Arkaden geprägten Innenhof und schließlich zum Pont Vieux, einer aus dem 11. Jahrhundert stammenden massiven Brücke. Auf ihr überqueren wir später den Tarn, um jenseits des Flusses die nordwestliche Richtung nach Cordes einzuschlagen. Der Blick auf Albi wandelt sich, während wir der steilen Straße aus dem Tal folgen, zu einem königlichen Gesamtwerk aus Würde, Anmut und Macht, gehalten vom grauschimmernden Band des Tarn, gekrönt vom unverwechselbaren Bau der Kathedrale. Dieses erhebende Bild versinkt bald, als wir eine Art Hochplateau erreichen und durch landwirtschaftlich genutztes, nahezu waldloses Gebiet fräsen. Allein auf weiter Flur jagt Wolfgang den Jockl wie auf einer Teststrecke, daß der Qualm nur so wirbelt. Eine gute Stunde geben wir uns diesem Geschwindigkeitsrausch hin und fetzen wie wildgewordene Aufmüpfige zwischen den Feldern hindurch.
    Sechs Kilometer vor Cordes wird hinter einem Taleinschnitt die auf einem Bergrücken gelegene Bastide sichtbar. Das heißt, bereits vom Fuße des Berges überzieht ein dichtstehendes, von Bäumen umgrüntes Häusermeer den ansehnlichen Hang. Eine Lage, wie sie wohl vielen Orten eigen ist, und so deutet noch nichts Außergewöhnliches auf eine der prächtigsten Bastiden unserer gesamten Reise hin. Doch zuvor erliegt Wolfgang kurz vor Cordes wieder einmal den rostigen Verführungen eines Schrottplatzes, auf dem tatsächlich einige ramponierte Lkw-Leichen der Kriegsgeneration ihrem endgültigen Verfallsdatum entgegengammeln. Wolfgang entflammt auf der Stelle in helle Begeisterung, wie dies andere Zeitgenossen in Sachen Liebe tun, läßt seine Blicke über die nostalgischen Formen stumpf gewordenen Blechs gleiten und prüft geübten Auges jede einzelne Karosse nach der Möglichkeit einer Instandsetzung. Ich spüre es, irgendwann gibt er seine Wohnung zugunsten eines Schlafplatzes unter einer Motorhaube auf.
    Wider Erwarten schaffen wir denn doch noch die letzten Meter nach Cordes, so daß wir einen Besuch der Stadt noch an diesem Nachmittag über die Bühne bringen. Jockl parken wir an der Hauptstraße in der Unterstadt und wandern die ungewöhnlich steile, steingepflasterte Grand-Rue zur Bastide hinauf. Bereits hier erlebt man einen Sprung in die Vergangenheit. Die anfangs breite Gasse windet sich, zusehends verengend, in mehreren Kurven zwischen mittelalterlichen, anheimelnden Häusern den Hang hinauf. In Fachwerk-, Ziegel- und Steinbauweise reihen sie sich abwechselnd nebeneinander, jedes davon

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