Mit Jockl nach Santiago
wie seine Augen, und die prallen Wangen nehmen allmählich die Farbe des Weines an. Während er in einem fort mit seiner hin- und her rennenden Frau und einem Gast an der Theke palavert, spießt er aus einer großen Schüssel mit gemischtem Salat ein grünes Blatt auf die Gabel und zwängt es, Marinade verspritzend, zwischen die beiden Mundwinkel. Genüßlich läßt er seine Zunge über die Lippen gleiten und streicht sich gleichzeitig über seinen Bauch, welcher ebenfalls wie das darüber gespannte T-Shirt bald zu platzen droht. Die Wirtsfrau, die Tochter und andere Angehörige des Hauses versammeln sich um den Tisch und schmausen, daß es eine Wonne ist. Der schwere Duft des Weines steigt mir in die Nase, dazu das Aroma frisch geschnittener Tomaten und Salatgurken und die Säure des angerichteten Salates. Am liebsten hätte ich mich dazugesetzt. Viel hätte auch nicht gefehlt, denn der Wirt - auch er spricht deutsch - beginnt bald ein Gespräch mit uns und entläßt uns nicht so schnell wieder aus seiner Erzählgewalt. Ja, ja Österreich schätze er, Salzburg und Innsbruck ganz besonders, und Mozart erst - ja, Mozart liebe er wirklich! Bis er alle Österreich-Besuche, Städte und Mozart-Festivals durchgelobt hat, dunkelt es bereits, als wir uns geraume Zeit später wieder beim Jockl einfinden.
Frühlingsvogelgezwitscher in seinen tirillierendsten Tönen und einen bedächtig einher staksenden Storch nehmen wir kaum wahr. Aus Jockls Hinterachse sind über Nacht größere Mengen verklumpten Fetts ausgetreten, und wir wissen natürlich nicht was das zu bedeuten hat. Ein Anruf beim Vöggenauer Franz tut Not, und wir erfahren, daß uns eine neue Suchaktion ins Zelt steht, und zwar die nach einer Fettpresse samt geeignetem Öl beziehungsweise Fett, um den Verlust, der in dieser Menge schon mal vorkommen kann, wieder auszugleichen. In Kaysersberg werden wir nicht fündig. Dafür erstehen wir einen riesigen »Kugelhopf«, den wir vor der Kirche aus seiner Verpackung schälen und augenblicklich wie gierige Hühner in Fetzten reißen. Der lockere Hefeteig schmeckt zu köstlich, und jedes säuberliche Schneiden in angemessene Stücke wäre da umsonst. Kaysersberg sollte man nicht verlassen, ohne in der Pfarrkirche den fantastischen Hochaltar des Hans Bangort besichtigt zu haben. Das tun wir auch und dann ab mit Getöse, damit etwas Rummel ins Stadtgeschehen kommt.
In flotter Fahrt nach Ammerschwihr; hier fallen uns die zahlreichen Storchennester auf Türmen und Giebeln besonders auf. Nicht umsonst gilt Meister Adebar als ein Wahrzeichen des Elsass, und sein Konterfei findet sich auf allem, was sich bedrucken und bemalen läßt. In Ammerschwihr schwenken wir abermals ins Hinterland ab und kurven, so weit das Auge reicht, durch endloses, ausschließlich mit Wein bepflanztes Hügelland. In langen Serpentinen jagen wir den Jockl nach Les Trois-Epis hinauf, eine blaugraue Wolke hinter uns herziehend, die jedem Umweltschützer die Seele ersticken muß. Je wärmer der Motor, umso kälter werden unsere Ohren. Acht Kilometer talwärts lockt Turckheim, dort legen wir eine Aufwärmpause ein, ehe wir uns erneut in Waldeinsamkeiten begeben.
Von Turckheim folgen wir der Straße nach Munster, zweigen aber bei Soultz ins Krebsbachtal ab und tuckern im schönsten Weltfrieden durch das reich bewaldete Tal. In Wasserbourg endet schließlich das Asphaltvergnügen und wie befürchtet, müssen wir mit einer ziemlich miserablen Forststraße vorlieb nehmen. Für die dreieinhalb Kilometer bis zu einer Passhöhe benötigen wir eine halbe Stunde. Dafür kann Jockl erstmals zeigen, was in ihm steckt und wozu er eigentlich ursprünglich gebaut wurde, ehe ihn zwei Verrückte zu ihrem Urlaubsfahrzeug auserkoren. Unaufhaltsam nimmt er die schlimmsten Hürden über Baumwurzeln, Geröll und über Wassergräben, vor denen wir mit jedem anderen Pkw hätten kehrt machen müssen. Das soll aber nicht heißen, daß wir die Fahrt genossen haben. Wolfgangs uneingeschränktes Lenkerfeeling war gefragt, und ich wäre eigentlich lieber zu Fuß nebenher gelaufen. Aber wer denkt denn, daß die paar läppischen Kilometer sich ziehen wie ein Gummiseil. Erleichtert erreichen wir den 865 m hohen Col de Boënlesgrab und erhalten zum Lohn für unsere Anstrengung eine gehörige Brise frischen Windes und eine tolle Aussicht über die Vogesen.
Dann Motor aus und in einer fünf Kilometer langen rasanten Talfahrt durch den Rouffacher Forst nach Lautenbachzell. Dort besuchen
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