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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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blöde zwischen zwei Stockwerken herumirren und keinen offensichtlichen Anfang und kein Ende finden. Einige Wühlkörbe, bestückt mit Gebrauchtkameras der Vorkriegsgeneration, hätten in einfacherer Weise fast denselben Zweck der Nicht-Information erfüllt.
    Chalons Altstadt entschädigt uns für diesen Flop. Mit ihren verschiedenen, zum Teil reichverzierten Fassaden und dem - trotz Montag - lebhaften Geschehen in der Fußgängerzone gewinnt sie mühelos unsere Sympathien. Der Alltag plätschert hier so angenehm zwischen den Straßencafés dahin, daß man sich wünschte, daran teilzunehmen. Wir begnügen uns auch mit dem Zusehen und beobachten über unsere Kaffeetassen hinweg, wie drei Circen im Zentrum ihrer einander zugeneigten Köpfe vertraulichen Klatsch schwelen lassen, vernehmen Murmeln und Gesprächsfetzen von hinteren Tischen, überlagert vom plötzlichen Auflachen einer Gruppe junger Burschen neben uns und wippen mit aufmerksamen Blicken den Hüftschwüngen manch bezaubernder Mademoiselle hinterher, die ihre Absätze selbstbewußt auf das Steinpflaster knallt, nach dem Motto »Wer nicht sehen will, muß hören!« Chalon, eine Stadt mit Stil und Charme, versteht zu verführen und das nicht nur mit ihren attraktiven Bewohnerinnen. Schon liebäugeln wir mit dem Gedanken hierzubleiben, ringen uns aber dann doch zu einer Weiterfahrt durch.
    Auf der überlasteten N6 quälen wir uns die 17 Kilometer durch einen horrenden Verkehr nach Chagny. Dort erlöst uns Gott sei Dank eine Abzweigung vom ständigen Nervenkitzel, doch noch irgendwo im Straßengraben zu landen. Mehr von Instinkten geleitet als von Wegweisern gelotst, finden wir nach Santenay, wo wir weit außerhalb, in einem dem örtlichen Freizeitcenter angegliederten Campingplatz, den Tag beschließen.
     
    Auch hier versteht es unser Jockl, das Personal an der Rezeption für sich zu gewinnen und seine Formen so wirkungsvoll in Szene zu setzen, bis man die Fotoapparate zückt und ihn vor unserer Abfahrt noch schnell fürs private Fotoarchiv ablichtet. Selbst angesichts des herzlichen »Au revoirs« atmen wir auf, als wir die Schranke passieren und damit endlich unsere pikierten Mitcamper los sind, neben deren anbiederndem, weltgewandtem Getue wir uns wie die reinsten Dorftrotteln ausnahmen. Da ging es in vernehmlichem, viersprachigem Smalltalk quer über unsere Köpfe hinweg, als wäre unser Zelt lediglich ein Maulwurfshaufen. Ein schier unstillbares Geltungsbedürfnis treibt diese selbstgefälligen, ältlichen Fettlinge auch auf die Vorstadtbühnen der Campingplätze, wo sich immer Gleichgesinnte finden oder passendes Publikum, das ihren Bierweisheiten applaudiert. Ein Greuel, solche Leute! Von den heute früh von uns ausgeteilten »Bonjours« und »Good mornings« kam nicht die Andeutung eines Echos zurück; wahrscheinlich war unsere Aussprache wieder eine Nuance zu salzburgerisch gefärbt - für so etwas haben wir natürlich Verständnis. Andererseits wurde unser allmorgendliches Umarmungsritual vor dem Start mit Küßchen und guten Wünschen für die Tagestour neugierig und mit unverhohlenen Blicken registriert. He, ihr durchgefallenen Gentlemänner, da läuft nicht die Wiederholung des gestrigen Spätabendprogramms! Was soll’s, der Maulwurfshaufen reist ab, freundlich nach allen Seiten winkend, als hätten wir alle zusammen ein nettes Weekend verbracht. Und sieh da, wir ernten sogar manches Kopfnicken; einer hebt sogar die Hand, oder hält er sie nur gegen die blendende Sonne?
    In Santenay bewegen wir uns eindeutig wieder vogelfreier, spurten durch das halbe Dorf, das nicht nur durch die Abwesenheit von Mensch, Tier und Verkehr, sondern auch durch das Fehlen jeglicher Laute erstaunt. Lediglich unsere eigenen Worte und Schritte bestätigen das Funktionieren unseres Gehörs. Eine kompakte Stille steckt wie ein Pfropfen in den Gassen. Kein Vogelgezwitscher tschilpt durch unser Gespräch, weder Hund noch Katz’ kreuzen unseren Weg. Ungläubig ob dieser allgemeinen Reglosigkeit suche ich sogar eine Gartenmauer nach Ameisen ab, irgend etwas Lebendiges muß es doch geben - erfolglos. Nur eine tote Spinne hängt im Maschendraht. Am Ortsrand endlich, beim Château Philippe le Hardi, bekannt als angesehene Weinkellerei, stoßen wir auf die Gestalt eines Arbeiters im Schloßhof. Das Château mit seinem typisch burgundisch-buntgemusterten Dach erhebt sich als recht stolzes Anwesen hinter einem Burggraben, über den eine massive Brücke führt, die voran von zwei

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