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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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außernatürliches Gesträuch, kein Baum »stört«, so daß sich der Blick für Details und Winzigkeiten am Wegesrand wieder einstellt: Raupen, Nirostaschrauben, straßenkreuzende Käfer, zersplitterte Rücklichter und was sonst noch glänzt und kriecht.
    Zur Mittagsstunde zotteln wir unerwartet einsam durch das Oberdorf von Saint-Romain. Uns wundert die Siesta-Öde des Ortes, der sich wegen seiner herrlichen Lage auf einer Felsklippe immerhin einiger Bekanntheit rühmt. Unbeobachtet turnen wir auf den Resten einer Burg herum, die sich kaum mehr gegen den Himmel abhebt und bald auch den letzten Kampf gegen die wuchernde Vegetation verloren haben wird. Zauneidechsen flitzen schnell in Deckung, bienensumsige Luft vibriert zwischen den Hecken an den Mauerresten und Grashüpfer springen aufgescheut von unseren Tritten nach allen Richtungen ins trockene Gestrüpp. Es raschelt und knackt, summt und zirpt so angenehm in den Sträuchern und Büschen - die Ouvertüre zum Herbstbeginn daß ich mich, um der Musik zu lauschen, auf dem sonnenwarmen Gemäuer ausstrecke und dabei wohlig entspannt in ein Nickerchen hinüberdämmere. In einem kurzen Traum trägt mich ein geschlossenes Heer feuerroter Eidechsen in eine kahle Ebene hinaus. Dabei liege ich mit dem Rücken auf ihren unbequemen Leibern und bin ständig bemüht mich auf den Bauch zu drehen, was mir aber nicht gelingt. Als sich das Heer in der Länge zu spalten beginnt, erwache ich - schwitzend und unwissend, wie lange ich hier schon in der Sonne brate. Von Wolfgang keine Spur; wahrscheinlich erforscht er den Grundriß der Burg und steigt irgendwo im Dickicht herum, um mit Kletten an Hose und Socken, zerkratzten Armen und staubigen Händen plötzlich aus dem Dschungel hervorzubrechen und mit Entdeckermiene das Ergebnis seiner Expedition bekanntzugeben: »Jo, de Onlog hot scho wos daugt!«
    Befriedigt über dieses neue Wissen, ziehen wir ab nach La Rochepot. Der Weg dorthin läßt sich nicht mehr genau rekonstruieren, weil wir, einer spontanen Laune folgend, irgend einen unasphaltierten Pfad einschlagen, in der richtigen Annahme, daß »ma scho wida iagndwo aussikumma wean«. Ab und zu ein Querfeldein-Trip erhöht das Abenteuer- und Traktorfeeling ungemein, wenn Jockls neue Profile wieder richtig in Schotter greifen und sich nicht nur am Straßenbelag abradieren.
    Das Château La Rochepot hoch über dem gleichnamigen Ort hinter Bäumen versteckt, die nur das bunt-ziegelige, betürmte Dach überragt, gehört zu jenen traumhaften Gebilden, die mit dem Begriff Märchenschloß wohl am besten charakterisiert und beschrieben werden. Daß wir es nach einem kurzen Aufstieg versperrt vorfinden, tut uns leid, doch wer weiß, vielleicht hätten uns sanierende Eingriffe und Neuerungen wider die Originalität des Bauwerks oder auch unpassendes Mobiliar nur unsere schöne Schwärmerei zerstört, der wir uns nun zügellos hingeben können.
    Wenn wir dachten, diesen Tag als einen ereignislosen, als einen Puffer zwischen vorangegangenen und nachfolgenden Geschehnissen zu beschließen, so haben wir die Rechnung ohne die Presse gemacht. Auf den letzten Kilometern vor Meursault, zwischen Weingärten, in denen einige Gruppen von Erntehelfern emsig am Pflücken sind, winken uns drei Männer zu, die nahe dem Straßenrand gerade ihre Brotzeit verschmausen. Und wie sie wie verrückt mit den Armen fuchteln; wir natürlich in ähnlicher Weise zurück, fahren jedoch weiter. Plötzlich wie auf Kommando rappeln sich die Monsieurs auf und beginnen hinter uns herzurennen, rufen und werken mit den Armen über ihren Köpfen; einer davon schwenkt eine Zeitung. Wolfgang bremst. »I erkläa oba nix; i hob heit Ualaub!« entschlüpft es mir in einem Anflug von Unmut, schon wieder nach dem Langenscheidt kramen zu müssen, um mühselige Unterhaltungen zu führen. Inzwischen haben uns unsere Verfolger eingeholt, mit solch strahlenden Gesichtern, daß ich mich meines Ärgers fast schäme. Einer von ihnen schlägt die Beauner Tageszeitung auf und zeigt uns ganz aufgeregt eine Abbildung auf Seite neun »Mia sans scho wida!« Tatsächlich, Wolfgang und ich auf dem Jockl flott unterwegs in einer von Beaunes Straßen. Irgendein Zeitungsfritze hat uns abgelichtet und einen allgemein gehaltenen Artikel über eine neue Art des Reisens dazu verfaßt. Dessen nicht genug, als wir am späteren Nachmittag nach einem ausgiebigen Aufenthalt in Meersault, bekannt für seine Chardonnay-Weine, nach Beaune zurückkehren, stoppt uns

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