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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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400-jährigen Platanen - den ältesten in ganz Frankreich - flankiert wird. Während wir die kleine Information zur Schloßgeschichte entziffern, schwappt aus den Wirtschaftsgebäuden des Châteaus eine berauschende Wolke schwül-schweren Rebensaftduftes zu uns herüber. Bei dieser umwerfenden Intensität wundert uns die Rundumstille kaum mehr; so stellen wir die Suche nach Lebenden bzw. Überlebenden einer nur durch Riechen hervorgerufenen Alkoholvergiftung ein und wanken zum Jockl zurück.
    Wir brauchen klare Köpfe für die nächste große Station auf unserer Reise: Beaune, die Perle im Herzen Burgunds. Ihr äußeres Erscheinungsbild am Ende einer 18 Kilometer langen Fahrt durch eine monotone Ebene geizt mit architektonisch markanten Besonderheiten, und insgesamt wirkt sie im Vergleich zu anderen Städten geduckt und unauffällig. Wir lassen uns davon nicht täuschen, obwohl wir mit jedem halben Kilometer näher zur Stadt immer mehr Zweifel hegen, ob all die Herrlichkeiten, derentwegen wir nun hier sind, nicht doch zu einer anderen Stadt gehören. Denn um ehrlich zu sein, Beaune wirkt von weitem wie ein größeres Dorf. Unsere Spannung wächst und wächst. Am Stadtrand möchte ich dem Jockl am liebsten voranlaufen, als uns ein schleppender Verkehr nur mühsam in die Nähe des Zentrums bringt. Doch da! - Die Stadtmauer aus dem Hundertjährigen Krieg und dahinter die Dächer und Giebeln von Beaune. Und dort! - Für einen Augenblick das Aufblitzen eines klitzekleinen Stückes bunter Dachfläche des Hôtel-Dieus, dem Wahrzeichen der Stadt. Ha, wir sind tatsächlich richtig, beinah hätte ich es nicht mehr geglaubt. Aber jetzt spüre ich es, Beaune wird ein Erfolg und bin darüber schon ganz aus dem Häuschen. »Jo, jezt beruig di amoi, du oida Zapplphilipp!« besänftigt mich Wolfgang, während wir in einer mir ewig lang erscheinenden Altstadtumfahrung auf Distanz gehalten werden. Schließlich taucht auch noch ein Campinghinweis auf, das heißt, die Richtung stadtauswärts hat absolut Vorrang. Da wir planen für drei Nächte hierzubleiben, wollen wir nicht abends auf den letzten Drücker mit irgendeinem mistigen Platz neben Mülltonnen oder sonstwo abgespeist werden, noch dazu auf einem Vier-Sterne-Camp, bekanntlich ja nicht gerade unsere Hausmarke unter den Wald- und Wiesen-Logien.
    Als wir die uns zugewiesene Parzelle mit unserem Zelt beschlagnahmt haben, steht Beaune nichts mehr im Weg. Goldene eineinhalb Tage lädt uns die Stadt, eine der bezauberndsten und angenehmsten unserer Tour, zum Tummeln, Bummeln und Zeitvertrödeln ein. Beaune öffnet sich innerhalb der Stadtmauer mit ihrer baumbestandenen Wallkrone wie eine Schmuckschatulle, deren Kostbarkeiten sowohl in ihrer funkelnden Gesamtheit wie auch im einzelnen unsere Augenpaare weiten. Luftige Gassen zwischen ansprechenden Häusern mit steilen Dächern und hohen Schornsteinen gruppieren sich um sonnige Plätze - allesamt nicht zu groß, um eine wohlproportionierte Überschaubarkeit zu bewahren und nicht zu klein, um noch angemessen repräsentativ zu wirken. Natürlich boomt hier der Tourismus nach allen Regeln der Wirtschaftlichkeit. Kunst und Kultur einerseits tragen dazu bei, aber auch, und das nicht in geringen Maßen, Beaunes Sitz an der Quelle der guten Tropfen - burgundischer Wein, den Weinkellereien in und außerhalb der Stadt, Weinhandelshäuser und Gourmetlokale, edel etikettiert, verkaufen. Während die eine Hälfte der Besucher den diversen Weinverkostungen frönen, hakt die andere Hälfte mehr oder weniger kunstinteressiert die Highlights der Stadt ab. Die Masse hat sich sozusagen aufgeteilt, was einer locker florierenden Betriebsamkeit in den Gassen zugute kommt.
    Wer sich außer einigen stimulierenden Promillchen noch andere Genüsse zuführen möchte bzw. noch dazu imstande ist, der sollte unbedingt den Weg zum Hôtel-Dieu einschlagen, dem Nonplusultra-Kassenmagneten von Beaune. Ein voller Erfolg war das Hôtel-Dieu wahrscheinlich auch nach seiner Fertigstellung im 15. Jahrhundert bereits, als es sein Stifter, der wohlhabende Kanzler Nicolas Rolin, seiner Bestimmung als Armenspital übergab. Äußerlich ein klotziger, schmuckloser Bau beträchtlichen Umfangs, eine Gegebenheit, die nicht irritiert, sondern nur die Spannung erhöht, bis man durch das Portal den Innenhof betritt. Wir wissen, was uns erwartet, und doch überbietet die Wirklichkeit unsere bis dahin gehegte Vorstellung. Fürs erste bin ich jedenfalls wie festgenagelt von den Farben und

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