Mit Jockl nach Santiago
marschieren ab.
Über Milly-Lamartine, einem reizenden Ort, ganz im Angedenken des französischen Politikers und Schriftstellers Alphonse de Lamartine, der hier Zeiten seiner Kindheit verbrachte, wenden wir uns Berzé-la-Ville zu. Auf dem Weg dorthin gelingt uns beim oftmaligen Zurückschauen endlich ein Blick auf den Fels von Solutré, den wir von Mâcon aus bereits einmal erklommen haben. Nun zeigt er sich uns aus der Gegenrichtung genauso einmalig bizarr wie vor Jahren. Immer und immer wieder versuchen wir seine unverwechselbare Silhouette zu erhaschen, bis sie schließlich vollständig von davorliegenden Bergen verdeckt wird. Schließlich besuchen wir Berzé-la-Ville, ein freundliches Dorf in Hanglage hoch über der N79-E62 nach Paray-le-Monial. Dort steht am Rande des Ortes die Kapelle von Moines, ein winziges Kirchlein, in dem man im 19. Jahrhundert unter weißer Tünche wunderbare Fresken wiederentdeckt hat, die an jene der Abtei von Cluny erinnern sollen, als das gigantische Benediktiner-Kloster noch nicht unter den Auswüchsen der Revolution zu leiden hatte.
Nur ein paar Steinwürfe davon entfernt, wäre das Château Berze eine stattliche Alternative zum verschmähten Schloß Pierreclos. Der mächtige, streitbare Komplex innerhalb einer 13 Rundtürme zählenden Umfassungsmauer, einst Sitz der Barone der Maconnais, verliert an Anziehung, als wir schon von weitem bunte Besucherscharen im Burgbereich sichten. Leichten Herzen widerstehen wir einer Annäherung und setzen die Fahrt fort. Kurz vor der Abzweigung nach Cluny steigt die Straße in einer langen Kehre zu einer Höhe an, von der wir uns noch einmal die schwachen Umrisse von Solutre heranzoomen. Für Jockl findet sich Gott sei Dank eine Ausweiche, in der er während unseres »Ins-Lond-Einischauns« und Herumstreifens kein Verkehrshindernis darstellt. Wir kehren gerade dorthin zurück, als Richtung Cluny ein Fahrzeug der Polizei mit drei Mann Insassen an uns vorbeiflitzt, deren Blicke allesamt den Jockl fixieren. »Oaje, bei denan samma jezt fällig!« Unsere Vermutung war richtig. Bereits hinter der nächsten Kurve werden wir von besagten Monsieurs plus einem Hund von der Fahrbahn beordert. »Herrschoftzeitn, de Tüpn schaun frei recht omtli drein!« stelle ich bangend fest. - »Hartiguck, scher di net drum, mia hom nix foisch gmocht und am Jockl haut a ois hi!« Tatsächlich, die Herren behandeln uns sehr freundlich. Einer testet sogar seine Englischkenntnisse an uns aus. Die Chance! Als wir auf seine Fragen entsprechend antworten bzw. erwartete Reaktionen zeigen, gratulieren ihm die beiden anderen zu seinem Können, was allgemeines Gelächter zur Folge hat. Sichtlich vergnügt, mustern sie unsern Jockl, spähen ihm unters Blech und in die Innereien, erkundigen sich nach dem Verlauf unserer Tour und lassen sich die Landkarte mit der zurückgelegten Strecke zeigen. Selbstverständlich kontrollieren sie unsere Papiere, doch diese Routinearbeit läuft nur so nebenbei ab. Aus der Amtshandlung entlassen, tuckern wir langsam von dannen, immer schön sachte, damit Jockls Gewölk nicht unseren guten Eindruck anschwärzt, denn solange bis uns die drei Obrigkeiten mit Gehupe überholen, spüren wir ihre Blicke immer noch im Nacken.
In einem Sechs-Kilometer-Katzensprung landen wir in Cluny. Ein Name, der in Verbindung mit dem Standort des einstmals größten Kirchenbaues der Christenheit - der legendären Klosterkirche von Cluny - wohl den meisten geläufig sein wird. Aber nicht nur das: Cluny gilt als Synonym für eine Reformbewegung gegen die Verweltlichung der Kirche und steht gleichzeitig Pate für einen daraus resultierenden neuen Baustil, der sich in Einfachheit und Verzicht auf Glanz und Pracht ausdrückt. Diesem architektonischen Umschwung zu einer asketischen Schlichtheit, die Clunys Vorgängerbauten (Cluny I und Cluny II) noch beherzigten, unterwirft sich der letzte, im 11. Jahrhundert begonnene Monumentalbau in keinster Weise. Doch da er nach der Französischen Revolution lange Jahre als Steinbruch mißbraucht wurde, lassen sich seine grandiosen Ausmaße leider nur mehr aus einem bestehenden Rest des ehemaligen Querschiffes, das ein mächtiger, achteckiger Glockenturm überragt, nachvollziehen. Allein aus diesen noch vorhandenen, steinernen Tatsachen multipliziert mit den 187 Metern Länge der Kirche, deren Grundmauern man noch heute abschreiten kann, erwachsen schwer vorstellbare Dimensionen. Die ungeheure Größe beeindruckt auf jeden Fall, die
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