Mit Jockl nach Santiago
ein schnittiger Fahrer. Dem Pkw entsteigt hastig ein Angestellter des eben erwähnten Beauner Journals und überreicht uns ein Gratis-Exemplar seines Blattes, nicht ohne zuvor noch, gespannt auf unsere Reaktion, die »Überraschung« auf Seite neun aufzuschlagen. Ob wir ihm diese Zeitungsehre verdanken, können wir nicht mehr in Erfahrung bringen, da sich der sichtlich gestreßte Herr eilig verabschiedet und mit Getöse davonprescht. Da stehen wir nun, wieder einmal gebrandmarkt als Außenseiter in den Urlaubermassen, und ich glaube förmlich fremde Blicke aus dem Boden wachsen zu spüren und uns durch die Stadt verfolgen.
Am Camp opfert sich Wolfgang einer Schar Neugieriger, während ich mich dem Wäschewaschen hingebe und dabei fast die Socken zerreibe, um nur langmöglichst der Belagerung um das Zelt zu entkommen. Vergeblich!
Ab die Post, bevor wir wieder inmitten einer Manege stehen. Außerdem genügt uns in dieser Hinsicht unser Nachbar, der uns fast keine Minute unserer Anwesenheit aus den Augen gelassen hat. Seine ganze Familie saß dabei einträchtig stumm vor ihrem Wohnwagen und beobachtete uns Stunde um Stunde - egal, ob beim Wäscheaufhängen, Essen, Lesen oder was sonst immer. Als wir uns eine Weile in unser Zelt zurückzogen und anschließend nach draußen spähten, starrte das Familienoberhaupt noch immer zu uns herüber. »Ge mechst ma net an Tritt in Hintan gebm, daß a bißl a Sponnung in sei Programm kummt!« schlage ich Wolfgang vor, teils belustigt, teils gestört durch die taktlosen Manieren unseres werten Nachbarn. Selbst am Morgen unseres vierten Tages in Beaune, hält er noch immer nichts von einem neutralen »Bonjour«, dafür um so mehr von einer minutiösen Observierung, als wir darangehen, den »Schauplatz« unserer Parzelle zu räumen. Leider gelingt es mir nicht, in seinem grauen Gesicht Freude, Erleichterung oder auch Betrübnis über unsere Abreise zu lesen. Sicher werden wir ihn nicht vermissen - er uns vielleicht schon, denn welch französischer Fernsehsender versteht es, sein Publikum mit einem cineastischen Straßenfeger wie »Der alte Traktor und das Zelt« zu fesseln. Die Stars dieses Movies sehen sich nun nach einer anderen Location um; um so lieber, als der wenig nette Herr an der Rezeption uns eine überhöhte Rechnung ausstellt. Gerade auf einem Vier-Sterne-Campingplatz sehe ich das gar nicht gerne und reagiere verstimmt. Besagter Herr korrigiert schließlich den Betrag, und es bleibt immer noch genug zu berappen. Diese vier Sterne sind wirklich Wasser auf unsere Mühlen!
Wir kommen heut’ gar nicht erst richtig in Schwung. Vier Kilometer nördlich von Beaune heißt es bereits wieder absteigen. Mit gutem Grund, denn in Savigny-les-Beaune beherbergt das im Ort gelegene und als Museum geführte Château eine hervorragende Sammlung an Motorrädern und eine noch tollere an Kampfflugzeugen. Allerdings bedürften sowohl die Motorräder im 2. Stock des Châteaus, als auch die Riege der Luftflotte im Garten, angefangen von Jagdbombern aus dem 2.Weltkrieg bis hin zu Aufklärern, Trainingsflugzeugen, Transporthubschraubern und einem Luftfighter aus dem Golfkrieg, dringend einiger Instandhaltungsmaßnahmen und eindeutig mehr Stellfläche, sollen die einzelnen Exemplare oder zumindest die herausragendsten davon, einigermaßen zur Geltung kommen. Im übrigen erinnert das Château in vertrauter Weise an ein typisch englisches Country-Castle mit Laura-Ashley-Wohngemütlichkeit am Rande eines großen, penibel gepflegten Landschaftsgartens. Auch sonst lohnt Savigny einige Schritte durch den Ort, der noch die seltene Rarität eines Dorfbackofens hütet. Im engen Postamt von Savigny füllen wir umständlich lange Einschreibeformulare aus - für die Postmeisterin Zeit genug, um in uns die beiden Trakto(u)risten aus dem Beauner Tagblatt wiederzuerkennen. Ein spitzbübisches Schmunzeln erhellt ihr Gesicht und mit einem freundlichen Nicken wünscht sie uns schließlich eine gute Weiterreise. »Merci bien, Madame!«
Die nächste Begegnung mit der holden Weiblichkeit an diesem Tag verläuft weit weniger erfreulich. Rund 30 Kilometer eintönige Fahrerei geradewegs nach Osten haben wir abgesessen, als die Ortschaft Pouilly-sur-Saône unsere waldmüden Blicke zum Erfrischen an die breite Saône holt. Dort gedenken wir, uns auf einen frühzeitigen Feierabend einzurichten. Einigermaßen vergnügt, rumpeln wir entlang des Flußufers einem ausgeschilderten Campingplatz entgegen und finden diesen
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